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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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Familienangehörigen zu erfahren. Vielleicht gab es dort die Verbindung, die der Schlüssel zum Rätsel war.
    Alles, was er bisher über Recktenwald wusste, war, dass er vierzig Lenze zählte, zurückgezogen lebte und bei der Fördergemeinschaft Teufelsburg als Touristenführer angestellt war. Dort hatte er nichts erfahren, was ihm weitergeholfen hätte. Lediglich die Erinnerung an sein Zuhause machte Schnur stutzig. Nur wer sich im Dorf auskannte, wusste, dass dort ein Haus stand – und wusste vermutlich auch, wer dort wohnte. Aber mehr über ihn zu erfahren, war unmöglich. Die Unsichtbarkeit, die Unauffälligkeit machten Fred Recktenwald zu einem Mysterium.
    Nach einer Weile betrat Andrea das Zimmer.
    »Na, was macht der Waisenhund?«, fragte Schnur lächelnd.
    »Die kleine Penelope war zu einem zitternden Bündel verkommen. Jetzt ist sie bei meiner Mutter und lässt sich durchfüttern und bemuttern.«
    »Dann können wir Penelope von der Liste der Opfer streichen«, erkannte Schnur.
    »Zwei Opfer reichen ohnehin«, stimmte Andrea zu. »Ich hoffe, dass wir mit Fred Recktenwald die Fälle aufgeklärt haben. Obwohl ich zugegebenermaßen meine Zweifel habe.«
    Sie hielt ihrem Vorgesetzten eine Akte vor die Nase. »Mehr konnten wir in der Kürze der Zeit nicht über ihn herausfinden.«
    Schnur blätterte in den wenigen Papieren und bemerkte: »Etwas hätten wir schon: Er war Schüler am Max-Planck-Gymnasium.«
    »Und rächt sich 24 Jahre später für die Ungerechtigkeiten der Lehrer?«, zweifelte Andrea.
    »Vielleicht sind seine Ahnen Elefanten«, murrte Schnur.
    Auf Andreas fragenden Blick fügte er an: »Die vergessen nie.«
    Andrea grinste.
    »Deshalb will ich Klarheit haben. Wir werden beide jetzt da reingehen und mit Recktenwald sprechen.«
    »Du hast recht«, lenkte Andrea ein. »Nie die Hoffnung aufgeben. Vielleicht bricht er zusammen und gesteht uns alles.«
    »Und der Osterhase kommt mit dem Nikolaus Hand in Hand hereinspaziert, um uns zu gratulieren.«
    »Dein Zynismus in Ehren – ohne ihn hast du mir besser gefallen.«
    Sie betraten den Raum
    »Warum bin ich hier?«, fragte Recktenwald sofort.
    Schnur setzte sich ihm erst einmal gegenüber, bevor er antwortete: »Sie haben die Tote gefunden. Und wer einen solchen Fund macht, wird immer von der Polizei befragt.«
    »Ich habe die Tote doch nicht gefunden. Das waren die Damen meiner Touristengruppe«, wehrte Recktenwald ab. Seine Stimme klang klar und deutlich und ohne jegliche Betonung. Ob er sich nun über seinen Aufenthalt in diesem Raum ärgerte oder nicht, war nicht herauszuhören.
    Schnur schaute ihn genau an, als er sagte: »Ihr Notruf klang aber anders. Sie haben wortwörtlich gesagt: Ich habe eine Tote gefunden. Sie liegt auf der Teufelsburg. Kommen Sie schnell. «
    Keine Reaktion von Fred Recktenwald. Seine grauen Haare standen wild vom Kopf ab, ein Anblick, wie Schnur ihn vielleicht von ungepflegten Obdachlosen kannte. Aber dieser Mann hier war nicht ungepflegt, seine Erscheinung war der Inbegriff der Gegensätzlichkeiten. Graue Haare, dazu ein junges Gesicht, ein Anzug, der schon lange aus der Mode gekommen war, in dem Recktenwald aber eine gute Figur machte. Gertenschlank und groß, ohne die geringste Sportlichkeit. Wäre er imstande, Bertram Andernach an einem Strick hochzuziehen? Dazu gehörten Kraft und Kaltschnäuzigkeit. Und Schnur erkannte in seinem Gegenüber keins von beidem.
    »Ich habe mich in der Aufregung wohl falsch ausgedrückt«, brachte Recktenwald zu seiner Entschuldigung vor.
    »Sie sprachen aber klar und deutlich von einer Toten – also von einer toten Frau«, präzisierte Schnur. »Also wussten Sie, wer dort hing. Ich habe nämlich in dem, was von der Leiche übriggeblieben ist, keine Frau erkannt.«
    Recktenwald stutzte und meinte: »Sie trug einen Rock. Männer tragen für gewöhnlich keine Röcke.«
    Widerwillig schaute sich Schnur die Fotos von Mathilde Graufuchs an, die inzwischen der Akte beigefügt worden waren. Er konnte beim besten Willen diese Stofffetzen nicht als Rock identifizieren.
    »Ich kann keinen Rock erkennen«, gab er zu und wollte das Foto in Recktenwalds Richtung drehen. Doch der Mann wehrte ab und meinte: »Bitte nicht! Der Anblick oben auf der Teufelsburg war schrecklich genug für mich. Ich werde Alpträume davon kriegen.«
    »Richtig. Schrecklich war der Anblick. Und Sie haben sofort eine Frau erkannt«, gab Schnur nun etwas barscher zurück. »Ich habe den Eindruck, dass Sie genau wussten, wen

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