Galgentod
nicht im Besitz dieses Handys sein.«
»Das weiß Yannik Hoffmann aber nicht«, wandte Erik ein.
»Das ist auch gut so.« Schnurs Augen leuchteten. »Wir sichern die Daten als Beweis gegen ihn und du gibst ihm das Handy zurück. Solange er keine Beschwerde einlegt, können wir die Daten verwenden.«
»Das wird gelingen. Ich war heute Nacht ganz schön wütend und hab ihn das spüren lassen.«
»Klar. Er ist sich sehr wohl darüber im Klaren, was er da getan hat. Also wird er keine Anzeige gegen uns stellen. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.«
»Aber auf meine Kosten.« Eriks Euphorie löste sich schlagartig wieder in Nichts auf.
Schnur rieb sich in gewohnter Weise über sein rasiertes Kinn und überlegte eine Weile. Plötzlich riss er die Augen auf, hob den Zeigefinger hoch und stieß aus: »Ich hab’s!«
»Schieß los.«
»Unser guter alter Theo Barthels ist der Leiter der KTU, in der auch die Techniker arbeiten. Auf seine Diskretion können wir uns verlassen.«
»Kann er auch am Computer arbeiten?«
»Solche speziellen Sachen natürlich nicht. Aber er wird dem Kollegen schon sagen, was er zu tun hat.«
Erik spürte, wie sich ein Lächeln auf sein Gesicht schlich. Schnur half ihm nach dieser Nacht doch tatsächlich aus der Patsche.
»Danke, Kumpel«, rief er aus. »Dafür darfst du mich auch Langer nennen.«
Schnur grinste schief und entgegnete: »Und du darfst mir einen Rasierapparat schenken, damit ich meinen roten Bartwuchs zu jeder Gelegenheit stutzen kann.«
»Mach ich, Barbarossa.«
Kapitel 55
Sofort spürte Günter Laug, dass etwas anders war. Er stand vor dem großen Gebäude des Max-Planck-Gymnasiums und hörte, was er nicht hörte: Schülergeschrei.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er ausnahmsweise pünktlich war. Lag es daran?
Er näherte sich dem Gebäude, drückte gegen die Eingangstür. Zu. Da fiel es ihm ein: Es war Samstag.
Zum Glück gehörte er zu der Spezies der »Dinosaurier« dieser Schule, die inzwischen ganz schön rar geworden war. Unter den Relikten gab es außer ihm nur noch Manfred Dobler, den kleinen Wichtigtuer. Ihnen oblag das Privileg, über einen Schlüssel zum Schulgebäude zu verfügen. Er zog den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, suchte den richtigen heraus und sperrte auf. Er betrat das leere Schulgebäude. Die Stille war gespenstisch. So hatte er diese Hallen noch nicht erlebt. Normalerweise ließ die große Anzahl von Schülern im Alter zwischen elf und achtzehn Jahren das majestätische Gebäude eher wie eine Räuberhöhle erscheinen, der die dort angestellten Lehrer nicht viel entgegenzusetzen hatten. Die einzigen, denen es gelungen war, die wildgewordene Bande von Schülern in den Griff zu bekommen, hatten dafür mit ihrem Leben bezahlt.
Laug rümpfte die Nase.
Immer schon hatte er sich an den Methoden der beiden gestört. Ihre Autorität hatte sich am Ende jedoch als wesentlich effektiver erwiesen als sein »Laissez-faire«-Unterrichtsstil. Trotzdem erschien ihm seine Methode einfacher. Er machte sich nicht die Mühe, die Schüler zu erziehen. Daran hatte er gar kein Interesse. Wenn es mal ganz dick kam, griff er zum Alkohol. Damit konnte er sich schützen, ja abschirmen. Die Angriffe der Schüler prallten dadurch an ihm ab. Aus Aufsässigen wurden Kleinmütige, weil sie keinen Blitzableiter für ihre Aggressionen fanden. Aber war das die eigentliche Aufgabe eines Lehrers?
Laug ließ die Tür ins Schloss fallen und trat auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus. Jetzt stand er im Schulhof, der durch seine gähnende Leere viel zu groß wirkte.
Über eine Änderung seiner Lehremethoden nachzudenken, dafür war es zu spät. Lieber überlegte sich Laug, was er jetzt mit dem angebrochenen Tag anfangen sollte. Sein Blick fiel auf die neue Turnhalle. Schon hatte er eine Idee.
Der Schlüssel war ein Generalschlüssel. Damit kam er in alle Gebäude. Und die Schlüssel zu den einzelnen Räumen innerhalb der Turnhalle hatte ihm vor einiger Zeit schon der Hausmeister anvertraut. Die gute alte Seele Ernst Plebe. Mit ihm hatte Laug einen Verbündeten gehabt. Aber wie es aussah, war auch diese Zeit vorbei. Plebe würde nicht mehr als Hausmeister an dieser Schule arbeiten.
Nichtsdestotrotz waren seine Vorräte noch hier.
Laugs Laune wurde immer besser. Warum sollte er nach Hause gehen, wo ihn ein leerer Kühlschrank und ein leerer Keller erwarteten. Hier war der Kühlschrank randvoll mit kühlem Bier. Einen besseren Grund, den Tag in der
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