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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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wie Sie fragen, wissen Sie das doch schon. Hat jedenfalls nichts mit der Polizei zu tun.«
    »Das ist aber nicht ganz richtig, Mr   Kehoe«, sagte ich. »Die Einnahme von Steroiden ist eine Sache; gestohlene Brustkrebsmedikamente zu nehmen ist etwas ganz anderes.«
    »Was?«
    »Nolvadex heißt es, glaube ich. Das Brustkrebsmedikament, das man ebenfalls bei Ihnen nachgewiesen hat. Wo hatten Sie das her?«
    »Warum?«
    »Ein ganzer Batzen wurde vor ein, zwei Wochen aus einer Apotheke in Lifford gestohlen. Da Sie die erste Person hier in der Gegend sind, bei der das Medikament gefunden wurde, vermuten wir, dass Sie etwas über den Diebstahl wissen.«
    Kehoe erbleichte. Sein Blick wanderte zwischen Gorman und mir hin und her, beinahe so stumpfsinnig wie der eines Rindviehs.
    »Ich hab sie nicht gestohlen. Jemand hat sie mir gegeben; das schwöre ich bei Gott.«
    »Wer hat sie Ihnen gegeben?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wie praktisch«, sagte ich. »Sie waren es nicht, Sie wissen nichts. Wer hätte das gedacht – wieder ein Unschuldiger zu Unrecht beschuldigt.«
    »Nein, ich schwöre«, beteuerte er so überzeugend, dass ich den Eindruck gewann, er sagte die Wahrheit. Ich traute Kehoe einfach nicht zu, dass er so überzeugend lügen konnte.
    »Irgendein Typ bei dem Turnier hat sie mir gegeben.«
    »Wer?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Reden Sie keinen Scheiß, Darren. Nennen Sie mir einen Namen, oder wir nehmen Sie gleich mit; in Ihrer hässlichen Trainingshose, wenn es sein muss.«
    Kehoe geriet in Panik, er schaute verängstigt. »Bitte nicht. Thompson feuert mich, wenn ich festgenommen werde. Das gehört zu meinem Aggressionsbewältigungs-Deal.«
    »Was?«, fragte ich ungläubig, und Kehoe erklärte es uns.
    Kehoe hatte in der Schule mit dem Kickboxen begonnen. Er hatte gute Fortschritte bei lokalen Wettbewerben erzielt, bis er neunzehn wurde. Dann schien er nicht mehr weiterzukommen. Gleichgültig, wie hart er trainierte, wie sorgfältig er seine Ernährung ausbalancierte, er schien keine weiteren Fortschritte mehr zu machen – offenbar war er nicht so leistungsfähig wie seine Konkurrenten.
    Da schlug ihm jemand eines Abends nach einem weiteren verlorenen Kampf in Newry vor, er solle doch versuchen, mit Hilfe von Steroiden seinen Körper weiter aufzubauen. Ohne Steroide werde er nie weiterkommen, sagte der Mann ihm. Und so kaufte Kehoe, nachdem er einige Wochen lang standhaft geblieben war, im Internet Bodybuilding-Steroide. Das Ergebnis war erstaunlich. Er fühlte sich besser denn je, schien eine Kraft zu entwickeln, die die Kapazität seiner Muskeln eigentlich überstieg, und sein Name tauchte allmählich wieder unter den Gewinnern auf. Einer der Nebeneffekte bestand jedoch darin, dass Kehoe, wie er feststellte, immer häufiger die Beherrschung verlor und dabei immer gewalttätiger wurde. »Roid Rage« – Steroidrausch – nannte er das. Am Ende schlug Kehoe einen Teenager, der sich in dem Club herumtrieb, in dem er arbeitete, derart zusammen, dass der Junge einen Monat lang auf der Intensivstation lag. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Da Kehoe in die Teilnahme an Aggressionsbewältigungskursen einwilligte, wurde seine Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die gesamte Bewährungszeit hindurch, die sechs Monate vor unserem Gespräch geendet hatte, hatte er die Finger von den Steroiden gelassen.
    Selbstverständlich wollte Kehoe danach wieder an Wettbewerben teilnehmen, und so nahm er erneut Steroide, wenn auch in niedrigeren Dosen, um den Wutrausch zu vermeiden. Diesmal jedoch trat bei ihm eine andere Nebenwirkung auf: Gyno. Dagegen hatte ein Konkurrent ihm bei seinem letzten Kickbox-Turnier Tamoxifen gegeben.
    Allmählich fügte sich eins ins andere. Es hätte mir schon früher auffallen müssen. Roid Rage – ich bat Kehoe, uns das Phänomen zu erklären.
    »Hat was mit den Hormonen zu tun«, erklärte er vereinfachend. »Die lassen einen echt schnell die Beherrschung verlieren. Da wird man irgendwie zum Hulk. Hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Man will nur noch … zuschlagen«, schloss er.
    »So sehr, dass man jemanden töten könnte?«
    Er sah mich an, und in seinem Blick lag keinerlei Durchtriebenheit. »Ja«, sagte er. »So sehr, dass man jemanden töten könnte.« Ganz kurz herrschte Stille, und er bemühnte sich, sie schnell wieder zu durchbrechen. »Die Steroide waren meine eigenen. Das gebe ich zu. Es war total blöd, aber ich war nicht mehr im Training. Ich

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