Galileis Freundin (German Edition)
Heimatländer oder für ihren weiten Weg in das Morgenland. An den Werften ankerten einige Galeeren des Großherzogs. Die Besatzung der Sträflingsschiffe verweilte zum Essen und Schlafen, streng bewacht, in dem Bagno, einem quadratischen Gebäude, das sich nur aus vier Mauern und e i nem Innenhof zusammensetzte.
Selbst in den frühen Morgenstunden herrschte ein munteres und babylonisches Treiben. In H e bräisch und Griechisch, Türkisch und Englisch, Französisch und Italienisch wurde gestenreich verhandelt. Ebenso vielfältig zeigte die Kleidung die unterschiedlichen Herkunftsländer.
In dem unglaublichen Gewirr zitterten die durchfrorenen Flüchtlinge und versuchten, sich zu orientieren. Viele Menschen konnten ein sicherer Hort sein, sich zu verstecken. Unter diesen vielen Menschen konnte es aber auch genügend Leute geben, die sich sehr gut an die junge Fürstin aus dem Hause Picchena erinnerten. Der unterhalb des Handelshafens gelegene kleine Fischerhafen, war wohl der rechte Ort, der mehr sichere Verstecke anzubieten hatte.
Die ‘Bauersfrau’ steuerte zielbewusst in den Hafen der Fischerboote und suchte die Nähe der kleinen aber farbenfrohen und lebendigen Fischerkneipen. In diese stinkende Gegend, in die Nähe von Müll, Betrunkenen und anzüglichen Burschen wagten sich nicht die feinen, reichen Herren, die in Avignon, in Florenz oder in Padua ihr Zuhause hatten.
Verkleidet wie arme Bauern, übernächtigt und halb erfroren, wirkten sie in den erwachenden Straßen wie Leute, die man hier täglich zu Gesicht bekam. Die Leute mochten glauben, die verarmte Bauernfamilie war, wie viele andere auch, durch schlechte Ernten und hohe Schulden zu Sklaven ihres Herren geworden. Daher hatte sie sich zu einer Flucht in eine bessere Welt entschieden. Man würde sie nicht beachten. Die Fischer und Handwerker in Livorno hatten genug mit sich selbst und ihrem Leid zu tun. Die strengen Regeln und Gesetze einer weit en t fernt agierenden politischen Macht wurden hier wahrscheinlich nicht so streng genommen, wie in Florenz und Siena.
Die Familie steuerte auf eine Hafenkneipe zu, die schon manch einem traurigen Gast eine wa r me Unterkunft geboten hatte. Sie stieß die Tür auf.
„Weib, was wollt ihr hier?“ herrschte sie der Wirt an und war nahe daran, sie aus dem Hause zu werfen. Die Fischerkneipe stank elendig. Wilde Gesellen, die wohl schon die ganze Nacht hier verbracht hatten, stritten sich an Tischen um irgendwelche Glücksspiele. Der Bierdunst zog wie Nebelschwaden durch die niedrige Stube. Die Mägde in ihren bunten, langen Röcken sahen ger adezu hübsch aus neben den strähnigen und schwarzen Gestalten an den verschliss e nen Eichentischen. Ein unerträglicher Gestank von Erbrochenem machte der Markgräfin das Atmen schwer. Valerio zupfte sie am Ärmel.
„Was wollen wir hier?“ fragte er verängstigt. „Wir haben hier nichts zu suchen. Lasst uns eine ordentliche Bleibe suchen“, bat er seine Begleiterin flehentlich.
Er schaute entmutigt auf die betrunkenen Burschen, die sich an den Tischen herumlümmelten.
„Genau das ist die ordentliche Bleibe, die wir brauchen“, herrschte ihn Caterina an. Ihr gefiel das fröhliche Treiben. Sie hatte keinerlei Befürchtungen.
Die höher steigende Sonne würde den ganzen Tag über nicht ausreichen, diese Spelunke zu erleuchten. Kerzen standen auf den Tischen und manch ein abgebrannter Stummel einer gut riechenden Wachskerze schmolz, als wolle er gerade das Lokal vollends in Brand setzen. Ni e mand kümmerte sich um die kümmerlichen Reste einer leuchtenden, abgebrannten Kerze. Das Wachs floss über die schweren Holzplatten der Tische und irgendwo beendete es, erkaltet, se i ne kurze Reise über das raue Holz. Die Mädchen, die neue Bier-und Weinkrüge auf die T i sche schoben, wichen geschickt den Annäherungs-und Berührungsversuchen der gierigen Gä s te aus. Manch einer der Kunden erhielt auch schnell einen Schlag von zarter Hand, wenn er die übermäßig zur Schau gestellte Brust der jungen Frauen zu berühren trachtete. Die weiten R ö cke aus bunten Stoffen schwebten mit ihren Trägerinnen durch die Bierschwemme und tanzten einen ganz besonderen lebendigen und immerwährenden Tanz. Die Fischer trugen meist ein buntes Halstuch, das sie mit einem Knoten unter dem Kinn befestigt hatten. Ihre einfachen J a cken und Hosen, die weitgehend verschlissen waren, hatten sie wohl schon am Tag vorher auf ihren Schiffen getragen. Sie logen sich gegenseitig die
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