Galileis Freundin (German Edition)
Armut der Bevölkerung schien das unmöglich. Die Menschen mussten i r gendwie ihren Lebensunterhalt verdienen. Man konnte nicht nur gegen die Armut klagen und jammern. Die Tat war gegen den Hunger gefordert.
„Nennt mir einen Namen, an wen ich mich wenden kann. Wer ist eventuell bereit, uns drei mit unserem wenigen Gepäck zu fahren?“
„Niemand, sagte ich euch. So ist es.“
Der Wirt war unwillig. Die Gräfin merkte, dass ihm die ganze Angelegenheit zu lästig war. Er wollte einfach nichts damit zu tun haben. Er wollte weder ihr noch einem Fischer helfen, der sich das Geld vielleicht doch verdienen wollte.
„Ihr seid ein rechter Gastwirt. Hauptsache eure Kasse stimmt, die anderen sind euch alle gleichgültig.“
„ Lasst mich in Ruhe, was schert mich euer Begehr.“
„Nun gut, dann bleibe ich eben heute Abend in eurer Spelunke und werde alle Leute ausfragen, bis mir einer einen Namen genannt hat.“
„Wenn ihr das wollt, dann tut es einfach. Soll mir doch gleichgültig sein“, brummte der u n freundliche Mann.
„Ja, ich werde es tun. Ich werde aber auch Jedermann sagen, dass ihr nicht bereit gewesen seid, einem armen Fischer zu helfen, eine Menge Geld zu verdienen. So interessieren euch eure Gä s te.“
Der Dicke erkannte, dass er mit dieser Frau nur Ärger haben würde. Er lenkte ein.
„Nun gut, geht am südlichen Ortsende in die Osteria ‘La Luna’, fragt dort nach Bool, dem F i scher. Der Kerl war ein paar Mal hier und hat nach Arbeit gefragt. Er wohnt noch nicht lange hier. Er fängt wohl zu wenige Fische. Vielleicht wird er bereit sein, euch über das Meer zu s e geln. Jetzt lasst mich in Ruhe.“
Der finstere Geselle drehte ab und verschwand in seiner Küche. Die Gräfin hatte einen Namen, der ihr eventuell weiterhelfen würde. Sie nickte Valerio zu und begab sich nach draußen. In diesen Frühlingstagen herrschte ein unwirtliches Wetter. Der Winter war lang gewesen, Kälte und zuviel Regen waren keine guten Signale für eine Überfahrt nach Marseille.
Sie schleppten ihre Habe mit sich, da sie fürchteten, dass ihr Reisegepäck in der Kaschemme gestohlen werden könnte. Die Bauernfamilie wanderte an dem Uferweg entlang, bis bald kein Haus mehr sichtbar war. Letztendlich fanden sie die kleine Osteria ‘La Luna’. Sie betraten den niedrigen Raum und setzten sich an einen Tisch. Hier hing die Zimmerdecke noch niedriger und wegen der sehr kleinen Fenster fiel kaum Licht herein. An den Wänden hingen einfache Gemälde, die das Leben der Fischer und der armen Bauern widerspiegelten. Tosende Seen und angstverzerrte Gesichter der vom Tode bedrohten Menschen in riesigen Wellen waren nicht gerade dazu angetan, ihrem Weg über das Meer Mut zu machen. Valerio stand fasziniert vor den Bildern mit der Weltuntergangsstimmung.
Die drei Bauern nahmen an einem der blank gescheuerten Holztische Platz. Sie blickten sich in dem dunklen Raum um. Es roch nach Kaminrauch, Weindunst und Fisch.
"Ein scheußlicher Ort", dachte sie. "Kein Platz zum Wohlfühlen."
Dies war kein Ort, der Vertrauen und Heimeligkeit aufkommen lassen konnte. Die Ärmsten der Armen fanden sich hier wohl zusammen um ihre letzten Groschen zu versaufen und um sich gegenseitig ihr Leid zu klagen und auf die Reichen zu wettern. Valerio malte mit seinem Fi n gernagel Figuren in das Holz. Er ritzte nackte Körper in den Tisch korrigierte ständig deren Figur. Caterina schaute dem gelehrten, unglücklichen Mann fasziniert zu, wie er versuchte, sein selbstverschuldetes Unglück an den Tisch zu übergeben.
Mit einem lauten Knall donnerte ein altes, stinkendes Weib einen Krug Wein und Becher auf den Tisch. Sie lachte zynisch und machte mit ihren Händen eine abwertende Bewegung. Die Gäste hatten sich ob der unerwarteten Störung erschreckt. Ihre Köpfe fuhren hoch, ihre Arme flogen in die Luft. Valerio gar sprang ängstlich auf. Nur Marzial hatte das Kommen der Alten rechtzeitig bemerkt. Die Alte lachte wie eine Hexe. Verächtlich schaute sie auf das seltsame Trio, das keineswegs aus Bauern bestand. Sie roch es förmlich, dass diese drei sich verkleidet hatten. Ihre Gesichter, die Haut ihrer Hände sogar ihre Bewegungen verrieten sie allzu deu t lich. Signale, die der Alten Vorsicht geboten, sie hellhörig werden ließen. Es konnten Steue r beamte sein, Eintreiber von irgendwelchen Gebühren, die sich unter falschem Namen hier ei n schlichen, um sie auszusaugen wie einen trockenen Fisch. Sie hielt sogleich ihre Hand auf, um das Geld für
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