Galileis Freundin (German Edition)
und verschloss sie mit ihren Fingern. Bool sah ihr fest in die Augen. Ein Leuchten erschien auf seinem Gesicht.
„Den zweiten Teil erhaltet ihr, wenn wir sicher in Marseille im Hafen liegen.“
„Habt Vertrauen zu mir“, sagte er. „Ich habe eine Menge Erfahrung. Ich werde euch mit me i nem Können überzeugen“, fügte er zweideutig hinzu. Dann lächelte er.
Überfahrt
Vor langer Zeit hatte Bool aus einem untergegangenen Schiff an der Küste einen Kompass he r ausgeholt. Er kannte die Segelabenteuer des Kolumbus und Berichte der großen Fahrer nach Amerika und in andere Teile der Welt. Das Steuern nach Kompass war ihm vertraut. Das Wa g nis war nicht allzu groß. Unter sehr günstigen Wetterbedingungen würde man für die Überfahrt etwa fünf Tage benötigen, natürlich nur dann, wenn bei ruhigem Wetter der Wind immer von den richtigen Seiten kommen würde, womit keineswegs zu rechnen gewesen war. Bei schlec h ten Bedingungen könnten daraus auch schnell sieben oder zehn, vielleicht sogar noch mehr Tage werden.
Die Kajüte des Fischerseglers war eher als einfacher Schutz gegen Wind und Wetter gedacht, weniger als Aufenthaltsraum für drei mitreisende Passagiere. Es war keine komfortable Beha u sung, doch gab sie ihnen die Möglichkeit, ihr Ziel zu erreichen.
Mutter und Sohn und Valerio hatten sich in der Kajüte eingerichtet, so gut es eben ging. Aber es ging eben schlecht. Es gab keine Möglichkeit, sich zu waschen, was ohnehin nicht sehr b e deutend war. Der wenige Platz in der Kajüte sollte nun für drei oder sogar für vier herhalten. Angekleidet lagen die Flüchtlinge dicht nebeneinander und konnten sich kaum rühren. Für V a lerio war es eine willkommene Gelegenheit, sich dem Körper der Caterina zu nähern. Sie em p fand es als lästig. Valerio schätzte die zwanghafte Nähe. Er liebte ihren warmen Körper, spürte ihre Rundungen und versuchte den Kontakt zu genießen. Es wollte ihm nicht gelingen.
„Was drückt ihr euch so an mich. Lasst mich ein wenig atmen“, beschwerte sich die junge Frau. „Verzeiht, aber ich habe hinter mir keinen Daumen breit Platz“, versuchte sich Valerio zu rechtfertigen. Seine höfische Kultur, die überall in den feinen Kreisen, nur nicht bei Hofe g e pflegt zu werden schien, verbot ihm eine freiere Bewegung und ein wenig Genuss des Körpe r kontaktes.
Die Reisetaschen der Flüchtigen nahmen ihnen den Rest einer möglichen Beinfreiheit. Wie man sich drehte und wendete, es war sehr ungemütlich. Bool beschäftigte sich mit den Segeln. Er ahnte, dass er wohl alleine sein Boot nach Marseille segeln müsste .
Der Abend hatte verheißungsvoll begonnen. Die letzten Wolken waren vom Himmel ve r schwunden. Der abnehmende Mond erleuchtete die bleierne See. Ein leichter Südwind blies und füllte das Tuch des Rahseglers, der sich auf gerader Linie nach Westen bewegte, wie es schien direkt in den Hafen nach Marseille. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.
Der Fischer schien sein Geld leicht zu verdienen. Er sah sich in seinen Vorstellungen bereits nach drei oder vier Tagen wieder auf der Heimreise, wenn nur der Wind etwas zunehmen wü r de, damit er sein Geschäft schneller abwickeln könnte.
„Das ist ein ordentliches Geschäft“, sinnierte der junge Fischer. Er saß neben seinem Steuer, einem langen hölzernen Arm aus fester Kastanie und erfreute sich des guten Verdienstes.
Bool hatte den nicht mehr ganz runden Mond hinter sich, die dunkle See vor sich. Er betete, der Herrgott möge ihn vor der Ungewissheit eines unbekannten Zieles schützen. Segeln ist schön, solange die See ruhig ist, solange man ein wenig in der Nacht sieht, solange die gefäh r lichen Seeungeheuer unter dem Wasser blieben und keinen Grund sahen, sich über die Me n schen und ihre Schiffe zu stürzen. Aber das Unbekannte drohte immer und überall. Die Angst der Seeleute war einfach das Unbekannte, die Unwissenheit über das Wie und Woher und W a rum. Die fehlenden Antworten waren es, die den Seeleuten Angst machten und sie in Panik versetzten.
Der Golf von Genua und das Mare Ligure waren ihm noch recht vertraut. Oft hatten ihn der Wind oder Fischschwärme in weitere Gefilde hinausgetrieben. Doch immer waren es seine b e ruflichen Notwendigkeiten gewesen, die von ihm das Äußerste abverlangt hatten. Nun begab er sich mit seinem kleinen Boot zum ersten Male weiter hinaus in das offene mittelländische Meer. Die Winde konnten schnell wechseln. Der Westwind, der aus unbekannten
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