Galileis Freundin (German Edition)
Seeräubergeschichten erzählte, saßen Caterina und Valerio, gelangweilt und erschöpft, der Verzweiflung nahe, auf den Planken. Sie zehrte von ihrer Liebe, die sie so weit auf das gefährliche Meer getrieben hatte. Der Medikus bereute seine Entscheidung, dieser Frau gefolgt zu sein und dafür sein ganzes Leben aufs Spiel gesetzt zu haben.
Der junge Marzial Curzio war der erste, der ein Landstreifen am Horizont entdeckte. Näher und näher rückte der Streifen. Es war die französische Küste. Bald sah er auch nordös t lich und ebenso nordwestlich vor sich einen ebensolchen Streifen. Bool steuerte das Festland im Norden an. Die Streifen links und rechts von ihm waren vorgelagerte Inseln.
Der Wind blies gemäßigt. Eine Gefahr von irgendwoher sah er nicht auf sich zukommen. Die Wangen des Kapitäns leuchteten vor Glückseligkeit.
Caterina schenkte dem Land voraus einen kurzen Blick. Dann schaute sie den Kapitän an. Tr ä nen leuchteten in ihren Augen. Sie kniff ihre Lippen zusammen. Sie nickte langsam. Sie war stolz auf ihn. Bool schaute ihr tief in die Augen. Einen Augenblick zu lang, wie er selbst em p fand.
Die Gräfin nahm die prächtige Kulisse des provenzalischen Festlandes in sich auf. Vor sich hatte sie das tiefe Blau des sauberen Wassers, in dem sich die Unendlichkeit des Tageshimmels widerspiegelte. Links von ihr in halber Höhe stand die klare Nachmittagssonne. Ihr wärmendes Licht fiel auf eine kleine, glückliche Menschengruppe, die sich gerettet wähnte.
Doch das prachtvollste, was sie erkannte, waren die wunderschönen, tief grünen Höhenzüge, die sich über der Küste erhoben. Ein dichtes Walddach hatte seinen schützenden Schirm über den Küstenstreifen gelegt und versprach Kühle und Erholung, Entspannung und Frieden. Zw i schen dem Blau des Wassers und dem Grün des Waldes zog sich ein hohes, weiß funkelndes Band entlang. Es waren die Küstenfelsen, die aus reinem Kalk formiert waren. Diese friedl i chen Signale der Natur schenkten der Gräfin für eine Weile die glücklichsten Minuten ihres Daseins.
"Provence, meine Rettung", flüsterte sie lautlos. "Welch ein wunderschönes Land. Frains, mein stolzer Held aus Aix, wir sind bald vereint. Endlich wird Ruhe in unser Leben eintreten, endlich werden wir alle glücklich miteinander leben können."
Marzial drehte sich zu ihr um, um ihr eine Frage zu stellen. Er sah ihre Tränen und schwieg. Er ahnte , die Tränen seiner Mutter kämen aus der Erfüllung ihrer Träume und Sehnsüchte. Er ließ sie in Ruhe und freute sich über das Glück. Sie glücklich zu sehen, war für ihn ein h o hes Gut.
Bald stand, deutlich sichtbar auf der Landseite, 'Notre Dame de la Garde'. Die Kirche, auf e i nem Hügel südlich des Hafens von Marseille erbaut, war für jeden Segler die freudige Begr ü ßung, bald in einem sicheren Hafen an zu landen. Schon in den kleinen Buchten vor dem Hafen herrschte ein lebendiges Treiben. Große Mehrmaster mit eingeholten Rahsegeln lagen dicht beim Ufer vor Anker. Einige Galeeren mit den langen Rudern hatten sich festgetäut, wie kle i nere Handelsschiffe mit den typischen Lateinsegeln, die sich vor Anker gelegt hatten. Dazw i schen eilten einige Ruderboote hin und her. Sie brachten Waren auf die Schiffe und verkauften Lebensmittel.
An der unbefestigten Küste in den kleinen Buchten, handelten wild gestikulierend Kaufleute. Farbenprächtig gekleidete Menschen tanzten einen Tanz, der sich, wie sie später erfuhren, 'G a votte' nannte. Einzelne Menschen saßen auf den Felsen rund um die Bucht. Sie rauchten die langen Wasserpfeifen aus Arabien. Einige spielten die Laute, während Verliebte sich umarmten und den Weg hinter einen Felsen suchten. Prächtig gekleidete Frauen schritten mit einer Last auf dem Kopf über die schmalen Wege. Laute Kinder schrieen durcheinander. Hunde jagten sich gegenseitig die Beute ab.
Das Schiff näherte sich den Türmen der Festung 'Fort St.-Jean', einem mächtigen quadratischen Bauwerk, das wie ein undurchdringlicher Schutzwall auf der linken Seite der Einfahrt wachte. Bool steuerte sein Schiff nach Osten in die Hafeneinfahrt hinein. Hinter dem mächtigen, vie r eckigen Turm hatte der Hafen eine Länge von einer halben Meile und eine Breite von etwa siebzehn Schiffslängen. Eine wunderschöne, natürliche Bucht, die den Schiffen bei jedem Wind Schutz bieten konnte.
In dem Becken herrschte ein hektisches Treiben, dass dem Fischer Angst und Bange wurde. Schlanke Galeeren mit der französischen
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