Galileis Freundin (German Edition)
Sie zündete eine Kerze an und wanderte in der engen Stube auf und ab.
Ihr Sohn erwachte. Sie hieß ihn erneut zu Bett zu gehen. Sie aber lief viele Meilen in dem e n gen Zimmer hin und her, als verlöre sie den Schmerz durch die vielen Schritte. Als die letzte Kerze abgebrannt war, begab auch sie sich zu Bett und schlief unruhig und mit den Qualen der betrogenen Frau. Flüche schleuderte sie kraftvoll doch still hinter dem Betrüger her. Sie wünschte ihm die Pest an den Hals und einen Speer eines Soldaten in den Rücken. Doch auch immer wieder erinnerte sie sich an die Worte der Weissagerin, ihre Kraft für ein ewiges Leben aufzubewahren, ungeachtet der Schmerzen dieser Welt.
"Doch schwer ist es, alte Hexe", sagte sie, "die edlen Tugenden zu bewahren, wenn Treulosi g keit, Betrug und Enttäuschung an der Seele zehren und das Herz durchschneiden bei lebend i gem Leib. Die Glückseligkeit in fernen Welten, löscht mir den Schmerz nicht in der dunkelsten Stunde."
Bevor das Haus wach wurde, verließ sie am frühen Morgen mit ihrem Sohn Marzial Curzio die Herberge. Sie ging mit dem Knaben durch die noch stillen Gassen. Die Sonne schickte sich an, einen neuen, schönen Tag zu bescheinen. Das Blau des Himmels hatte noch die saubere Frische eines jungfräulichen Morgens. Möwen, die am Firmament kreisten, hoben sich schwarz von der reinen Luft ab. In einigen Gassen reinigten die Menschen die Gossen, kippten mit den Eimern Wasser auf die verschmutzten Straßen, um den Staub und den Kot des vergangenen Tages zu binden und hinfort zu spülen. Die Frische eines anbrechenden Tages war noch erfüllt mit der Luft, die sich in der Nacht mit der Luft des Meeres beladen hatte. In dem Fischerhafen riefen sich Menschen Wortfetzen zu. Kommandos in der Seemannssprache flogen hinüber und he r über. Es roch nach Fisch. Boote wurden beladen, Netze aufgelegt und die Fischer machten sich bereit, in den sonnenreichen Tag auf See auszulaufen.
Gegenüber auf der Seite des ‘Quai du port’ bereiteten sich Galeeren vor, ihren Weg über die See zu nehmen. An Fesseln schienen die Sträflinge gefangen zu sein. Sie marschierten einer nach dem anderen mit klirrenden Ketten auf das Schiff. Eine trostlose Bürde schien sie in der Zukunft zu erwarten.
„Die dort ge fesselt sind, verbüßen eine üble Tat“, dachte Caterina. „Über viele Jahre sind sie gefesselt an das Verbrechen, das sie begangen haben. Doch Frains, was hast du mir ang e tan?“
Sie floh mit ihrem Sohn vor den Menschen. Sie mochte niemand sehen. Sie verließ den Hafen und wanderte an der Küste entlang, bis sie die Stille des geduldig anrollenden Meeres fand. An einer einsamen Ecke, in der sich im Schilf ein paar Möwen tummelten, machte sie Halt und setzte sich mit ihrem Sohn in das Gras am Rande des Ufers. Der Knabe schaute sie erwa r tungsvoll an. Er spürte die drückende Stimmung, er wollte den Grund wissen, warum sie alle i ne an diesem frühen Morgen hinausgewandert seien. Er wartete geduldig. Er drängte seine Mutter nicht.
Caterina versuchte, die Gedanken in ihrem Kopf zu sammeln. Wie sollte sie die Gesche h nisse ihrem Jungen erläutern? Wie sollte sie ihm die himmelhohe Stimmung vom Vortag mit der Kälte der letzten Nacht erklären? Was würde er überhaupt verstehen können? Würde seine Enttäuschung nicht zu gewaltig sein, sich so entsetzlich entladen, dass sie den Ausbruch nicht mehr steuern könnte.
Marzial hatte die Sippe der Medici hassen gelernt. Er hatte in seinem kleinen Herzen nach R a che gesucht. Er wollte, wenn er erst einmal groß genug sein würde, das Leid, das die Her r scher ihm, seinem Vater und seiner Mutter angetan hatten, rächen. Er würde seine Mutter i m mer in Schutz nehmen, ihr helfen und auch für seinen Vater kämpfen. Das alles hatte die kindl i che Seele oft genug der Mutter erzählt.
Jetzt schaute die Mutter ihren Sohn an. Sie fand nicht den Mut, das Gespräch zu beginnen. Marzial sah sie an.
"Mutter, ich spüre dein großes Leid . Ich habe deine Unruhe heute Nacht erlebt . Es ist etwas Schlimmes geschehen. Du wagst es nicht zu sagen. Ich spüre es."
Marzial schaute sie an und streichelte sanft die glühenden Wangen der vom Leben so en t täuschten Mutter und sprach weiter.
"Mutter, ich will dein großes Leid mit dir teilen. Ich gehöre doch zu dir. Wenn wir zwei z u sammenhalten, wird uns nichts Schlimmes geschehen können. Mutter, ich werde bald für dich sorgen können. Gleichgültig, wo das sein wird. Ich hab dich so
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