Galileis Freundin (German Edition)
Haarschopf, vergaß die anderen Kunden und erklärte dem neugierigen Mädchen seine wohlriechenden Auslagen.
Auf dem kleinen Marktplatz von Castel San Gimignano tummelten sich wie jeden Morgen u n zählige Menschen. Tuch-und Gewürzhändler, Seidenverkäufer aus fremden Ländern, bucklige Bauerngestalten, geschickte Handwerker, lumpige Künstler, raffinierte Bettler, dreckige Tag e löhner und halbnackte Kinder, die von Kopf bis Fuß mit Kot und Schlamm bespritzt waren, suchten ihr Glück zu machen.
Die Düfte des toskanischen Zitronenkrauts und dem frischen Basilikum, vermischt mit dem durchdringenden Parfum des Pfeffers, der Nelken und des Safrans aus dem fernen Asien, rei z ten die Nase der jungen Gräfin, die mit ihrer Amme in den Kostbarkeiten eines Duft-und G e würzhändlers schnüffelte.
„In der großen, weiten Welt, Signorina, hole ich mir dort einen Sack voll und da einen Krug voll. Meine Freude genieße ich an den Reisen mehr als nur an dem Kaufen und Verkaufen. Überall dort, wo diese herrlichen Waren für euren Speisentisch wachsen und von klugen Me n schen bearbeitet werden, bin ich selbst mit meinem Karren und manchmal nur mit einem Sack gewesen. Es gibt ferne Länder, in die man nur gelangt, wenn man viele Wochen und Monate unterwegs ist.
Glaubt mir, schönes Kind, in manchen Ländern duftet es von Sonnenaufgang bis Sonnenunte r gang nach den herrlichsten Kräutern und Früchten, nach verschiedensten Teemischungen und nach Kaffee. Nach Sonnenuntergang betupfen sich die schönsten Frauen, die mein Auge je mit Wonne aufgenommen hat, mit Essenzen, die aus den lieblichsten Blüten seltener Pflanzen in kleinen Tropfen herausgepresst wurden.“
Unruhig zupfte Nanini an dem Ärmel ihrer Schutzbefohlenen.
„Dieser dunkle Fremde will nur eure Sinne betören“, unterbrach sie bissig die Rede des Ha n delsmannes. „Seine Worte sind nichts für euer empfindsames Gemüt.“
„Und diese ehrwürdige Fuchtel mit der Nase eines Raben und dem Buckel eines Zwerges b e trachtet die Welt mit den Augen eines Aasgeiers, mein Kind“, erwiderte der Händler, dabei beehrte er die Balia noch nicht einmal eines kurzen Blickes. Umso lebendiger sprach er zu dem kleinen Mädchen.
„Für manch eine Nase ist selbst ein Misthaufen zu schade oder der Abort seiner Herrin. Und manch ein ausgetrockneter Buckel dürfte nur einen Sack Heu für den Esel tragen, nicht aber die duftenden Kräuter und Gewürze aus den bunten Ländern der aufgehenden Morgenröte. Schönheit, mein strahlendes Kind, lässt sich mit Düften untermalen, der Liebreiz eines jungen Fräuleins gewinnt an geheimnisvoller Ausstrahlung. Nicht einen Tropfen würde ich an ein hä s sliches Weib verschwenden. Die Schönheit aber, mein Kind, die Schönheit ist selbst der spr u delnde Quell dieser göttlichen Geheimnisse. Ein Tropfen reinsten Öles, gewonnen aus Tause n den von rot leuchtenden Rosenblättern, sehnt sich nach der Vereinigung mit einer himmlischen Tochter.“
Die kleine Gräfin hatte sich von dem Zupfen der Amme gelöst.
Mit erhobener Stimme rezitierte der Händler die Hymnen auf die Gräfin wie die Verse von Tasso. Seine Stimme lag wie ein schwerer, süßlicher Geruch über den Marktfrauen, als er sich weiter an das Mädchen wandte.
„Schaut her, mein Fräulein, eure Schönheit ist eine Ehre für den Rosenduft. Aus dem Land der schönsten Frauen, Indien, sehnt er sich nach der Vereinigung mit euch zu seiner höchsten Vol l endung. Reicht mir euer liebliches Ohr, mein schönes Kind, und ich werde euch beglücken.“
Sie zögerte nicht einen Augenblick, beugte sich lächelnd vor.
„Zart und verführerisch, wie ein feiner Sonnenstrahl auf einem Blütenblatt, so will ich einen Tropfen dieses kostbaren Öles hinter euer Ohr legen.“
Aus einem kleinen Tonkrug tropfte der geschickte Händler ein wenig Öl auf einen Finger und verschenkte den wertvollen Tropfen auf ihren Halsansatz. Dann schnupperte er an dem Oh r läppchen seiner Auserwählten. Er sog den berauschenden Duft von ihren Haaren ein, schloss seine dunklen Augen, breitete seine Arme aus und versammelte die schönsten und lieblichsten Worte.
Caterina strahlte den überschwänglichen Mann begeistert an, derweil die Augen der Amme böse funkelten, als wollte sie den Charmeur des Betruges bezichtigen.
„Wartet ruhig ein paar Jahre“, fauchte sie den Gewürzhändler an. „Wenn meine Caterina dem reifen Alter näher kommt, werden eure trockenen Falten im Gesicht nur noch dem Fraß der
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