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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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warf den Toten vor die Türe der Kaschemme, band sein Pferd los und lenkte es zu seinem Heim.
    
    Ein Aufschrei des Entsetzens hallte durch die Burg Picchena, als die junge Gräfin von dem mörderischen Geschehen erfuhr. Sie ließ es nicht dabei bewenden, sie schrieb es nicht einem unabwendbaren Schicksal zu. Nur einige wenige Augenblicke war die Tochter des Landgrafen von ihrem Schmerz gelähmt. Dann stürzte sie nach draußen in den Pferdestall. Ihr Vater, Cu r zio Picchena, hatte erst vor einer Stunde seinen Sommersitz in Richtung Florenz verlassen. In seiner Kutsche, bewacht und geschützt von vier bewaffneten Soldaten der großherzoglichen Garde, war er von seiner Tochter liebevoll verabschiedet worden.
    Caterina hatte seit allerfrühester Kindheit auf den Pferden gesessen. Wie ein Wildfang war sie über die Höhenzüge und die Täler ihrer wunderbaren toskanischen Heimat gefegt. Nicht das stolze Dahinschreiten in eleganten Kleidern auf dem Rücken eines langsam gehenden Pferdes war ihr Traum gewesen. Der abenteuerliche Ritt in Hosen, meist ohne Sattel hatte das junge Mädchen berauscht.
    Im Stall striegelte Marco die Pferde.
    "Los, satteln", rief seine Herrin.
    Marco schaute sie ungläubig an.
    Schier in Ekstase schrie sie erneut.
    "Satteln."
    Marco gehorchte wie im Traum.
    Auf dem Rücken ihres schnellsten Pferdes stob sie aus dem Gelände, ihrem Vater hinterher. Alles Schreien und Rufen, jedes Flehen und Bitten ihrer Bediensteten hörte sie nicht mehr.
    Sie war bereits auf dem Weg durch den Wald in Richtung Colle Di Val d'Elsa. Sie wusste , we l chen Weg ihr Vater nehmen würde, da er ihr vorher noch geschildert hatte, welche Staatsb e diensteten er aufsuchen wollte. Trainiert durch die vielen Ritte in ihren frühen Kindheitstagen war sie sehr geübt. Sie kannte die Abkürzungen und Wege, die sie direkt durch den Wald füh r ten.
    Marco nahm erst nach einigen Augenblicken wahr, was wirklich geschehen war, und was jetzt gerade geschah. Voller Angst und Entsetzen sattelte er ein zweites Pferd und machte sich an die Verfolgung. Doch unmöglich war es ihm, seine Herrin auch nur annähernd einzuholen. Er verirrte sich und kehrte schließlich unverrichteter Dinge in die Burg zurück.
    Caterina wusste , dass ihr Vater einen Vorsprung von einer Stunde hatte. Da der Tross in der Zwischenzeit auch weiterfuhr, würde sie im günstigsten Fall die Kutsche des Senators in ei n einhalb bis zwei Stunden einholen können. Das hieß für sie ein steifer Ritt bis Colle Di Val d'Elsa. Ihre einzige Sorge galt ihrem Pferd, das hoffentlich durchhalten würde. Mehrere Male drohte sie von Zweigen und Sträuchern von dem Rücken ihres Pferdes heruntergefegt zu we r den. Manchmal hing sie nur noch schief im Sattel.
    Auf Feldern und Wiesen schauten die Bauern entsetzt auf, als sie das junge Mädchen dahinr a sen sahen. Manche erkannten sie und ahnten nichts Gutes. Caterina trieb den achtjährigen Wa l lach unermüdlich an. Sie kannte keine Schonung für sich. Auf gerader Strecke beugte sie sich an den Hals des gehetzten Tieres und sprach mit ihm.
    „Halte durch mein Freund. Dieses eine Mal verlange ich das von dir. Halte durch. Du wirst es nicht verstehen. Aber es muss sein.“
    Als verstünde er ihre Worte, so erhöhte der Wallach seine Geschwindigkeit und hetzte mit dem Mädchen über die Wege, Wiesen und Felder, tauchte unter Bäumen durch und galoppierte an Bauernhöfen vorbei. Sein Rücken war schweißnass , Schaum stand ihm vor dem Mund. Aber das Mädchen brauchte ihr Lieblingspferd nicht mehr anzutreiben. Es wurde nicht gejagt. Es wurde gezogen, als wüsste es, wo das Ziel lag, und wie schnell es galt diese Strecke zu überwinden.
    Die letzten Worte des Schmiedes gingen der jungen Gräfin nicht mehr aus dem Kopf.
    „Noch nicht einmal euer Vater hat die Macht, mir zu helfen. Wenn die Inquisition ihr Vorgehen als richtig erachtet, dann ist es richtig.“
    „Noch nicht einmal mein Vater konnte helfen“, dachte sie.
    Sie sah den Schmied Datini am Amboss mit den beiden zerquetschten Händen, die den Hammer nicht mehr fest genug halten konnten. Es war das letzte Bild, das sie von ihm hatte.
     
    In der Residenz des Vikars von Colle machte sie ihren ersten Halt. Sie rief nach ihrem Vater. Entsetzt schauten die Bediensteten auf das erschöpfte Mädchen und den durchnässten Wallach. Sie klärten die junge Picchena auf, der Senator sei noch nicht eingetroffen, man erwartete ihn aber jeden Augenblick. Sie hatte durch die

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