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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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metallisch behelmt, mit langen Speeren in der rechten Hand und kampferprobten Panzerausrüstungen versehen, stellten sich die Soldaten der Contrada vor. An der Absperrung der Tribüne schnaubten die feurigen Rosse mit Schaum vor ihren Mäulern. Der heiße Atem der Fantini, die zitternden Flanken der tänzelnden Rennpferde ließen die Fan a tiker vor Ehrfurcht erbeben.
    Einem vibrierenden Echo gleich, warfen die ehrwürdigen Steinwände der Palazzi um den Foro das Raunen und die jubelnden Aufschreie der Masse in den Platz zurück. Der Zug vor dem Palio vereinigte noch einmal die Sieneser in ihrem stolzen Bewusstsein . Stille legte sich über die Menge, als der ‘Carroccio’, gezogen von vier weißen Ochsen, in die Rennbahn einscherte. Das Volk von Siena ehrte schweigend den Golfaloniere. Das Banner Sienas, die ‘Balzana’, präse n tierte sich hinter dem ‘ Carroccio ’ am Schluss einer ehrfürchtigen Menge.
    Wie das langsame Anrollen eines kommenden Gewitters vibrierte die Luft. Zu lange dauerte die Spannung an. Das Murmeln wuchs zu einem Grollen an . Jubelnde ‘Contradaioli’ hatten das Glück ihres Lebens auf den Rücken eines einzigen Pferdes verwettet, das brutal zum Erfolg gepeitscht werden musste .
    Die Stunde der Entscheidung rückte heran. Für Verwegene war es die Stunde des Glückes oder des Unterganges. Mit glühenden Gesichtern schrieen sich die Besessenen in der Mitte des Foro ihre Anspannung aus der Seele.
    Einem schmetternden Fanfarenstoß folgte ein Augenblick der totalen Stille. Die stolzen, hoc h gereckten Fantini ritten auf ihren nervösen Barberini oder den kräftigeren Bauernpferden aus dem Hof des Palazzo dei Nove auf die Rennbahn.
    Den Start, die 'Mossa', bestimmte das letzte nervöse Pferd, sobald es tänzelnd in den Startraum gelangt war. Versuch und Misserfolg , Eintänzeln und Zurückweichen des letzten Pferdes wu r den begleitet von aufbrausenden und abschwellenden Anfeuerungsrufen der Menge.
    Mit dem gewaltigen Aufschrei, gleichsam eines sich in den mörderischen Kampf stürzenden Heeres, loh n ten die Sieneser den geglückten Start.
    Das Volk von Siena schüttelte sich unter einer Massenhysterie. Das Forum dröhnte unter den rasenden Hufen der Heißblüter. Je nach Verlauf von Glück und Missgeschick schrieen , fluchten, weinten und verwünschten die ‘Contradaioli’ Pferd und Reiter. Frauen rauften sich die Haare, Männer drohten über die Absperrung zu springen. Mit aufwirbelndem Aschestaub hetzten die Reiter über die enge Rennbahn und die kräftigen Pferdeleiber jagten unmittelbar an den Gästen aus Picchena vorbei.
    Der rasenden Meute gleich, stürzten sich die Gedanken der jungen Gräfin in eine drohende, ungewisse Dunkelheit. Wohin führte sie der Wahnsinn ihres vergewaltigten Körpers, welchen ausgeheckten Planes machte sich ihr Vater schuldig? Noch ahnte sie nur die Machenschaften einer selbstherrlichen, überheblichen Sippschaft. Vergewaltigt, verhandelt, verschachert und verschmäht, sollte dies das Ende ihres jungen Lebens sein? Verraten und verkauft an einen Menschen, den sie nicht liebte. Ihre Träume, ihre Sehnsüchte und ihre Liebe, genährt aus den Erzählungen von Tasso, übernommen von den Straßensängern und Fahrensleuten, gefestigt durch das eigene erwachende Leben, stürzten aus ihrer Seele und blieben zerschmettert in dem Staub eines von anderen bestimmten Lebens liegen. So, wie der Fantino in der Spitzkehre am Palazzo Ragnoni mit seinem Oberschenkel gegen die Steinbegrenzung knallte, in hohem Bogen von seinem Pferd durch die Luft flog und mit zerschmetterten Gliedmaßen unter die Hufe der nachfolgenden Reiter geriet, fühlte sie sich zertreten und überrollt von den Zwängen ihres D a seins. Die von Menschenblut schmutzig braun gefärbte Rennbahnasche legte sich auf ihre Seele und verdarb ihr Glück.
    Caterina schrie, den johlenden Zuschauern gleich, doch ihr Wehklagen galt nicht dem tödlich verletzten Fantino. Ihre Seele schrie ihr Unglück hinaus in die fremde, kalte Welt. Niemand vernahm ihr Jammern und Schluchzen. In der Versammlung aller Freuden und Qual, die von vielen Tausenden Menschen die Luft über Siena zittern ließ, zerstob ihr verzweifelter Ruf nach ein wenig Glück und Wärme wie der zarte Gesang eines Vogels im stürmischen Wind.
    Ein nächster Fantino schlug heftig mit dem Ochsenriemen auf das verzerrte Gesicht seines Gegners. Blutige Striemen zierten Wangen und Stirn des Reiters. Der erschrockene Fantino zögerte nur einen Augenblick,

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