Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
befreundet. Aber Sie reden da von Geschichten, die über fünfzehn Jahre her sind. Von Nostalgie halte ich nichts. Wenn Gallagher in diesem Fall wirklich schuldig ist, wird er auch bestraft.«
»Gut pariert«, rief Cartier und boxte mit der Faust nach einem unsichtbaren Gegner, sodass sein Anwalt erschrocken zusammenzuckte.
»Dazu müssen Sie ihn aber erst finden«, erinnerte die Reporterin die Premierministerin.
»Richtig«, stimmte ihr Tonya zu, »und damit gar nicht erst Zweifel daran aufkommen, dass wir es ernst meinen, werden wir eine Belohnung für sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung von Clou Gallagher führen, in Höhe von einer Million Astras aussetzen.«
Cartier und Kalep wechselten einen stummen Blick.
»Ich betone, dass es sich nicht um ein Kopfgeld handelt«, ergänzte Tonya, »wir wollen nicht Gallaghers Kopf. Eine Leiche nutzt niemandem etwas. Wir wollen ihn lebend, um ihn zu den Vorwürfen zu verhören.«
Cartier stand auf und warf die erloschene Zigarre in das knisternde Kaminfeuer, welches das Arbeitszimmer des Anwalts erwärmte. »Ich befürchte, den letzten Satz haben einige Leute schon gar nicht mehr gehört«, murmelte er missmutig. Bei der Nennung der beachtlichen Summe hatten sicherlich schon sämtliche zwielichtigen Gestalten des Universums ihre Waffenschränke geöffnet, um sich auf die Jagd nach Gallagher zu machen.
*
»Ungeheuerlich!« Tonya brütete über der Morgenzeitung und schüttelte ratlos den Kopf. »Einfach unglaublich!«
Das Frühstückstablett, das der Palastservice vor einer halben Stunde in ihre Suite geliefert hatte, stand unangetastet auf dem kleinen Hocker neben Tonyas Bett. Der Page, der das Frühstück serviert hatte, war wieder der kleine Dunkelhaarige mit dem knackigen Hintern gewesen, mit dem Tonya normalerweise gerne ein bisschen flirtete, um sich aufzumuntern. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und schien hell und freundlich durch das große, offen stehende Fenster in ihr Schlafzimmer und versprach einen herrlichen Sommertag.
Nichts davon konnte Tonya aufheitern.
Auf der ersten Seite des Kerian Kuriers, direkt unter den Schlagzeilen, hatte der Chefredakteur der SNA das Wort ergriffen und einen politischen Kommentar geschrieben, der es in sich hatte. Zum Teil war es die schriftliche Form seines Auftrittes in den Medien am Vortag, zum Teil nahm er aber auch direkt auf das gestern Abend geführte Interview mit der Premierministerin Bezug. Zeile um Zeile bauten sich die Anschuldigungen gegen Tonya zu einer endlosen Serie von Spott und Hohn auf.
Im Brennpunkt stand, wie zu erwarten gewesen war, erneut die Liebesbeziehung, die Tonya und den flüchtigen Clou Gallagher vor über fünfzehn Jahren verbunden hatte. Während Katachara ihr jedoch vor Kurzem noch unterstellt hatte, sie würde aus Rücksichtnahme auf ihren ehemaligen Geliebten von einer Strafverfolgung absehen, stellte er sie nun als kalte, gefühllose Opportunistin dar, die über Leichen ging – notfalls sogar Leute opferte, die sie liebte oder zumindest geliebt hatte –, um wiedergewählt zu werden. Die Aussetzung einer Belohnung für die Ergreifung des Gesuchten – Katachara sprach konsequent von der Aussetzung eines Kopfgeldes, entgegen Tonyas gestriger Aussage – wurde als Bankrotterklärung der Polizei und des Militärs interpretiert, denen es nach rund einem Jahr noch immer nicht gelungen war, den flüchtigen Terroristen dingfest zu machen.
Es war zum Verzweifeln. Egal, was sie tat oder nicht tat, Katachara fand immer ein Haar in der Suppe und drehte die Fakten so, dass Tonya in einem schlechten Licht dastand.
Sie nippte an dem kalt gewordenen Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. Der Türgong schreckte sie aus ihren Überlegungen.
Tonya sprang aus dem Bett und schlüpfte in einen kuscheligen Morgenmantel. Als sie die Tür öffnete, drängte sich ein schlecht gelaunter Raymon Cartier an ihrer Sekretärin Cheryl vorbei in die Suite.
Das Mädchen warf Tonya einen hilflosen Blick zu und zuckte mit den Schultern.
»Ist schon okay, Cheryl. Wird nicht lange dauern«, sagte Tonya beruhigend und tätschelte im Vorbeigehen Cartiers Arm.
»Deine Amtszeit oder unser Gespräch?«, fragte der Ingenieur zynisch.
Tonya schloss geräuschvoll die Tür hinter ihm. »Bist du auch gekommen, um mir Vorwürfe zu machen, Ray?«
»Wegen CeeGee? Pah!« Cartier lachte bitter. »Ich war dabei. Ich weiß, wie tief ihr beide damals in dieser Scheiße mit der Weldrak-Affäre gesteckt habt. Ihr konntet
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