Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
nachdenklich an. War es wirklich schon so lange her, dass er in Jedrells Alter gewesen war? Hatte er sich in den wenigen Jahren so verändert? Gehörte er mit siebenundvierzig Jahren etwa schon zum Alten Eisen, war er schon zu alt für ein Leben, wie er es damals geführt hatte und wie Jedrell es heute lebte? Vielleicht verwandelte er sich ja wirklich allmählich in Gan Sandar, seinen alten Lehrmeister. Oder in Quint, seinen Geschwaderkommandanten, von dem er nie den Vornamen erfahren hatte.
Mit einem Seufzen und einem großen Schluck aus der Bierflasche verscheuchte Clou die Geister der Vergangenheit. »Ist Ray eigentlich gar nicht hier?«, fragte er dann unvermittelt.
»Glaubst du, sonst hätte ich mich getraut, eine seiner edlen Zigarren zu klauen?«, gab Jedrell zurück. »Nein, er ist nicht hier. Ist offenbar schon vor ein paar Wochen nach Hokata umgezogen.«
»Hokata«, murmelte Clou anerkennend, »sieh mal einer an.«
»Ich habe mit dem Schichtleiter gesprochen, als ich ankam«, fuhr Jedrell fort, »ein Teräer namens Uullus Irw. Er sagte mir, Cartier habe ihn von unterwegs angerufen und ihm gesagt, dass er nach Kerian weiterfliegen wollte, um sich mit seinem Anwalt wegen irgendeiner Firmenübernahme zu beraten. Irw sagte, der Boss habe sehr verärgert geklungen. Scheint irgendwas schiefgelaufen zu sein, was meinst du?«
Clou atmete hörbar ein. Er hatte den Treffpunkt mit Jedrell extra hierhin verlegt, um sich bei der Gelegenheit von seinem alten Freund Cartier zu verabschieden. Wenn Clou erst einmal auf der Erde in Sicherheit war, würden Jahre, vielleicht Jahrzehnte vergehen, bis er und Ray sich einmal wiedersahen. Vielleicht würde es sogar nie mehr dazu kommen.
Und nun hatte Cartier ausgerechnet nach Kerian fliegen müssen, dem einzigen Planeten, auf dem Clou sich ausdrücklich nicht sehen lassen konnte. Sich auf einer dünn besiedelten Welt draußen in den Provinzen in der Öffentlichkeit zu zeigen, war eine Sache – es auf Kerian zu versuchen, wo es von Polizisten sicher nur so wimmelte, war etwas anderes. Selbst, wenn er sich verkleidete, war das Risiko, entdeckt zu werden, viel zu hoch. Zudem war es ein offenes Geheimnis, dass Clou und Ray alte Freunde waren, und wenn derjenige, der bei der kerianischen Polizei die Ermittlungen leitete, einen Funken Verstand hatte, ließ man Cartier sicherlich observieren und alle seine Kontakte überprüfen.
»Der Teräer sagte aber auch, dass Cartier eine Nachricht für dich hinterlassen hat. Er hat sie natürlich jetzt mir gegeben, weil er dachte, ich bin der echte Clou Gallagher«, sagte Jedrell und reichte Clou einen kleinen Aktenkoffer. »Ich hab nicht reingeguckt, ich schwöre.«
Clou untersuchte ratlos das komplizierte Kombinationsschloss mit dem alphanumerischen Tastenfeld, mit dem der Koffer abgeschlossen worden war. »Hast du die Kombination?«
»Dann hätte ich vielleicht doch reingeguckt«, entgegnete Jedrell.
Clou dachte scharf nach. »Es muss etwas sein, was nur er und ich kennen. Eine Zahlenkombination, die nur er und ich kennen. Hmm …«
»Sein Geburtstag? Dein Geburtstag? Eure erste Begegnung? Dein Hochzeitstag?«. Der junge Söldner malte mit der Zigarre ein Fragezeichen in die Luft. Asche rieselte auf den unordentlichen Schreibtisch.
Clou schüttelte den Kopf. Er beugte sich über die winzige alphanumerische Tastatur, die an dem Mechanismus angebracht war, und tippte eine lange Kombination von Buchstaben und Zahlen ein.
Jedrell hielt gespannt den Atem an.
Mit einem leisen Klicken öffnete sich der Koffer.
»Wusste ich’s doch«, sagte Clou grinsend, »22/A/653-T1KK, die Registriernummer des kleinen Kompaktfrachters, den wir damals zusammen wieder flottgemacht haben.«
Er klappte den Koffer auf. Staunend nahm er eine kleine silberne Diskette und ein Päckchen heraus, das sich schwer und hart anfühlte. Clou wickelte das Päckchen aus, während Jedrell die Diskette in den Eingabeschacht der Kommunikationskonsole hinter dem Schreibtisch schob.
Der Bildschirm wurde hell und Cartiers freundliches rundes Gesicht erschien. »Hallo, CeeGee«, sagte er. »Da du diese Aufzeichnung jetzt abspielst, bin ich selbst also nicht da, um dir dein Geschenk zu geben. Ob ich permanent oder nur vorübergehend nicht da bin, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht, aber das spielt im Moment auch keine Rolle. Ich hoffe, dass es dir gut geht und du dich und deine kleine Familie immer schön aus allen Schwierigkeiten heraushältst. Dein Geschenk ist in dem
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