Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
hatte geahnt, dass das Thema zur Sprache kommen würde. Was würde man ihm unterstellen, wenn er diese Frage nicht beantworten konnte? Würde man ihn zum Kumpanen der Außenseiter abstempeln? Für Sheriff Daniels Tod verantwortlich machen? Von ihm eine Erklärung für Alicias bizarren Fund fordern?
»Bürger Lloyd?«
Er schreckte zusammen und wurde sich bewusst, dass er erneut im Mittelpunkt des Interesses stand. Na gut, dachte er, erzähle ich ihnen halt alles, woran ich mich erinnere. Viel war es ja nicht …
»Ich wurde aus dem Meer gefischt, bewusstlos und fast ertrunken«, murmelte er nachdenklich. Die Narbe an seinem Kopf begann zu pochen, wenn er daran dachte.
»Es war eine sehr stürmische Nacht«, half ihm Alicia. »Wir haben in dieser Nacht zwei Boote verloren. Layk und Trum sind gestorben, als sie ihre Ausrüstung retten wollten. Am späten Nachmittag, bevor der Sturm aufzog, hatten wir andere Segel am Horizont gesehen. Vermutlich hatten andere Dörfer auch Boote draußen.«
»Waren Sie auf einem Boot aus einem anderen Dorf, Bürger Lloyd?«, fragte Dack. Er hatte diese Frage auch damals gestellt, als Bürgerin Mac Allister mit dem Schiffbrüchigen zu ihm gekommen war.
Der Satz »Sie warten auf mich« schoss ihm durch den Kopf. Alicia und Traer Boone, die ihn auf nassem Holzboden zu beruhigen versuchten und seine Wunden verbanden.
»Bürger Lloyd?«, hakte Dack nach.
»Ich glaube schon«, sagte Lloyd unsicher. »Ich weiß, dass ich auf einem Schiff war. Ich war nicht allein. Dann kam der Sturm, Blitze und Donner. Ich stürzte ins Wasser …« Er versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. Seine lückenhafte Erinnerung, die ihn nicht wissen ließ, woher er kam, wer er war …
Anfangs war es ihm sehr unangenehm, geradezu peinlich gewesen, dass er niemanden erkannte und sich an nichts erinnerte. Es irritierte ihn, dass auch keiner der Fischer ihn zu kennen schien. Man hatte sich auf die Erklärung geeinigt, dass er aus einem anderen Fischerdorf gekommen sein musste und dass er in der stürmischen Nacht auf dem Meer den Weg verloren hatte.
»Was soll das, Sheriff?«, fragte Alicia verärgert. Konnte man Denny nicht einfach in Ruhe lassen? »Wir haben das doch alles schon etliche Male durchgekaut. Wir haben doch längst herausgefunden, wer er wirklich ist.«
Er war eine Weile ziellos umhergewandert, hatte geglaubt, an diesem oder jenem Ort schon einmal gewesen zu sein, und war schließlich von Alicia zu einer kleinen Hütte an der Steilküste geführt worden. Die alte Frau, die dort gelebt hatte, war blind und fast taub gewesen, doch sie hatte ihren lange verloren geglaubten Sohn Denham nach all den Jahren, die er auf Reisen gewesen war, noch wiedererkannt. Er hatte geweint, als er seine Mutter und seine Identität wiedergefunden hatte. Er hatte noch mehr geweint, als die alte Frau wenige Tage später friedlich in ihrem Bett gestorben war und ihn wieder allein gelassen hatte.
»Die nostalgische Erinnerung einer alten, blinden Frau«, verwarf Dack Alicias Einwand. »Wenn er der Sohn von Witwe Lloyd ist, wo war er dann in all den Jahren zuvor? Warum hat er seine Mutter verlassen, als sie ihn brauchte?«
»Lassen Sie meine Mutter …« Lloyd verstummte mitten im Satz. Er und Alicia hatten sogar die weite Reise in das andere Fischerdorf gewagt, in dem er laut seiner Mutter zuletzt gewohnt haben sollte, aber sie hatten die Hütten verlassen vorgefunden. Er hatte keine Heimat mehr.
»Könnten Sie vielleicht endlich zur Sache kommen, Sheriff?«, meldete sich Evid Kerne ungeduldig zu Wort.
»Gewiss, Ratsherr Kerne.« Dack drehte sich wieder zu ihm herum. »Können wir einmal annehmen, dass weder der Außenseiter, den Sheriff Derek gestellt hat, noch Bürger Lloyd wirklich von hier sind?«
»Von wo dann?«
»Ich gehe davon aus, dass es sich bei Bürgerin Mac Allisters Fund um die Überreste eines Raumschiffs handelt, das etwa zur gleichen Zeit ins Meer stürzte, als Bürger Lloyd von Bürgerin Mac Allister aus dem Meer gerettet wurde.«
»Ein Raumschiff!«, hauchte Lucius Kerne ehrfürchtig. Auf Bulsara gab es keine Raumschiffe mehr, seit die
Väter
vor vielen Hundert Jahren ihre Familien zurückgelassen hatten, um Hilfe von der fernen Heimatwelt zu holen. Als das letzte Schiff startete, hatte man die Roboter zurückgelassen, um die Sicherheit der Stadt und der umliegenden Dörfer zu sichern. Insgeheim warteten viele Bürger von Bulsara noch immer auf die Rückkehr der
Väter.
»Wenn er in einem
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