Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
worden, hier war er aufgewachsen und hier waren seine Eltern gestorben. Jetzt hatte er hier ein eigenes Haus und eine Familie, die auf ihn wartete. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Clou Gallagher überall und nirgends zu Hause gewesen war.
Er betrachtete sein Spiegelbild in der getönten Fensterscheibe. Seinen Kopf hatte er sich vor der Abreise von Bulsara kahlgeschoren. Er hatte die langen, schwarz gefärbten Haare einfach nicht mehr sehen können. Jetzt sprossen bereits wieder die ersten blonden Stoppel auf dem nackten Schädel. Auf dem Rückflug hatte er angefangen, Medikamente zu nehmen, welche die Silikonpolster in seinem Gesicht allmählich auflösten. Seine Nase war inzwischen schon wieder deutlich kleiner geworden. Er hatte den großen Zinken, der zu seiner Verkleidung als Agent Ishmael gehört hatte, gehasst. Die Nebenwirkungen der Medikamente waren schmerzhaft, aber halbwegs erträglich: Migräne, Schmerzen beim Wasserlassen, Blut in Urin und Stuhl sowie leichtes Fieber. Wenigstens sah er allmählich wieder so aus wie früher.
»Dauert’s noch?«, fragte er ungeduldig und pochte dem Robot-Chauffeur von hinten auf die Schulter. Die Limousine stand bereits seit einigen Minuten vor einer Straßensperre.
»Eine Kontrolle der Sicherheitskräfte, Sir. Es wird nicht lange dauern«, entgegnete sein Fahrer mit gekünstelter Höflichkeit.
Clou spielte einen Moment mit dem Gedanken, den Beamten seinen Dienstausweis zu zeigen, besann sich dann allerdings eines Besseren. Er sah inzwischen nicht mehr so aus wie auf seinem Passfoto, erinnerte er sich. Sollte er gegenüber der Polizei dennoch darauf bestehen, der rechtmäßige Inhaber des Ausweises zu sein, würde er einiges zu erklären haben, und damit fingen die Probleme erst an.
Es war noch zu früh. Er konnte und durfte seine Anwesenheit noch nicht bekannt werden lassen. Seufzend lehnte er sich in die Rücksitzpolster und wartete geduldig.
*
Clous Haus lag in New Derry, einem Vorort von Amyam, nicht weit vom Regierungsviertel und seinen gläsernen Hochhaustürmen entfernt. New Derry hatte den Ruf, eine Wohngegend der gehobenen Mittelklasse zu sein, und so war Gallaghers Familie von O’Reillys Geheimdienst mit einer entsprechenden Identität ausgestattet worden.
Die Nachbarn kannten Debi Gallagher als Mairead Kenna und Clou als ihren Mann George. Für die Nachbarn war George Kenna ein Zollinspektor bei der Handelsmarine, was seine häufige Abwesenheit erklärte, und Mairead arbeitete als Sekretärin irgendwo im benachbarten Regierungsviertel. Ihre neunjährige Tochter Rebecca kannten alle nur als Becky.
Clou wunderte sich nicht, dass seine Nachbarn ihn heute nicht grüßten. Die meisten beachteten ihn gar nicht. Ein Typ in einem speckigen, abgewetzten Fliegeroverall, mit Ringen unter den Augen und extrem kurzen Haaren gehörte einfach nicht in die gepflegte Nachbarschaft von New Derry.
»Guten Abend, Miss Fowler«, rief Clou fröhlich der älteren Dame zu, die den ihr fremden Raumfahrer finster und misstrauisch anstarrte. »Wie geht’s Ihren Hämorrhoiden?«
Miss Fowlers Mund blieb offen stehen und die beiden gleichaltrigen Nachbarinnen, mit denen sie gesprochen hatte, verstummten schlagartig. Clou grinste breit und ging an den älteren Damen vorbei, ohne ihnen noch einen Blick zu schenken. Miss Fowlers Hämorrhoiden waren stadtbekannt; schließlich schilderte sie jedem, den sie traf, ihre Wehwehchen in aller Ausführlichkeit, unabhängig davon, ob ihr Gesprächspartner Interesse zeigte.
Clou nahm die Stufen zu seiner Haustür mit einem Sprung. Er drückte seine Handfläche auf das Sensorfeld neben der Haustür. Die Tür glitt auf, eine blecherne Stimme lispelte: »Willkommen daheim, Mister Kenna«, und Clou rannte fast Debi über den Haufen, die gerade im Begriff war, das Haus zu verlassen.
Debi schrie überrascht auf, als Clou sie in die Arme nahm und auf den Mund küsste. Nach einer Schrecksekunde hatte sie ihren Mann aber erkannt, und sie erwiderte seinen Kuss.
Fünf Minuten vergingen, in denen sich die beiden nur schweigend im Arm hielten.
»Du hast mir gefehlt«, sagte Clou schließlich.
»Du mir auch«, murmelte Debi. »Wie lange warst du dieses Mal weg? Sechs Monate?«
»Sieben«, sagte er verlegen. Seine Mission hatte ihn in den letzten Jahren nur wenige Male im Jahr nach Trusko VII kommen lassen. »Alles für Trusko VII«, seufzte er.
»Dein Heimatplanet«, erinnerte sie ihn vorwurfsvoll, »nicht meiner. Ich war von Anfang an
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