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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Überall fürchterliche Eisfelder und Schneehalme; ein einzelner Grashalm, der in den Winden der Unendlichkeit zappelte, in einem Felsen verankert. Im Osten war es grau; im Norden fürchterlich; im Westen, reiner Wahn, rangen eiserne Narren in der aufsteigenden Finsternis; im Süden meines Vaters Nebel. Jack Mountain, sein dreihundert Meter hoher Felshut, überblickte hundert Fußballfelder voll Schnee. Cinnamon Creek war ein Raubvogelnest von schottischem Nebel. Shull verlor sich im Goldenen Horn der Ode. Meine Öllampe brannte in der Unendlichkeit. «Armes, schwaches Fleisch», stellte ich fest, «es gibt keine Antwort.» Ich wusste nichts mehr, ich kümmerte mich um nichts, alles war mir egal, und plötzlich fühlte ich mich wahrhaft frei. Dann kamen wirklich frostige Morgen, knisterndes Feuer, ich hackte Holz mit meiner Mütze auf dem Kopf (mit Ohrenwärmern) und fühlte mich faul und zufrieden im Haus, eingenebelt von eisigen Wolken. Regen, Donner in den Bergen, aber vor dem Ofen las ich meine Wildwest-Zeitschriften. Überall schneeige Luft und Holzrauch. Schließlich kam der Schnee, in einem wirbelnden Schleier vom Hozomeen bei Kanada, er kam verdrießlich angetrudelt und sandte strahlend weiße Herolde, durch die ich den Engel des Lichtes lugen sah, und der Wind erhob sich, dunkle, tiefe Wolken stürzten hervor wie aus einer Schmiede, Kanada war ein Meer von bedeutungslosem Nebel; er kam in einem gleitenden, fächelnden Generalangriff, angekündigt durch das Pfeifen in meinem Ofenrohr; er rammte es, um meinen guten, alten, blauen Himmelsausblick aufzuschlucken, der ganz aus nachdenklichen Wolken aus Gold bestanden hatte; fern, das Run-dum-dum kanadischen Donners; und im Süden ein noch riesigerer, finsterer Sturm, der mich gleichsam in die Zange nahm; aber der Hozomeen-Berg stand da und beantwortete den Angriff mit mürrischem Schweigen. Und nichts konnte die fröhlichen, goldenen Himmelspartien weit im Nordosten, wo kein Sturm war, dazu bewegen, den Platz mit Desolation zu tauschen. Plötzlich senkte sich ein grüner und rosa Regenbogen mitten in Starvation Ridge hinein, keine dreihundert Meter von meiner Tür entfernt, wie ein Bolzen, wie ein Pfeiler: er kam aus dem Gewühl von dampfenden Wolken und orangenfarbener Sonne.
     
Was ist ein Regenbogen, Herr?
Ein Reif
für die Demütigen.
     
    Er schlug seinen Bogen mitten in den Lightning Creek hinein, Regen und Schnee fielen gleichzeitig, der See war milchweiß eine Meile unterhalb, es war einfach zu irre. Ich ging nach draußen, und plötzlich war mein Schatten vom Regenbogen umringt, als ich auf die Hügelspitze wanderte, ein wunderschön von einem Heiligenschein umleuchtetes Mysterium, das in mir den Wunsch wach werden ließ zu beten. «O Ray, der Lauf deines Lebens ist wie ein Regentropfen im unbegrenzbaren Ozean, der ewiges Erweckertum ist. Wozu sich noch sorgen? Schreib und erzähl das Japhy.» Der Sturm ging so schnell vorbei, wie er gekommen war, und das spätnachmittägliche Seegeglitzer blendete mich. Spätnachmittag, mein Wischtuch trocknete auf dem Fels. Spätnachmittag, mein nackter Rücken kalt, als ich über der Welt in einem Schneefeld stand und einen Eimer vollschaufelte. Spätnachmittag, ich war es, der sich veränderte, nicht die Leere. Warme Rosendämmerung, ich meditierte im gelben Halbmond des August. In den Bergen Donner! «Donner und Schnee, wir sagen Ade!», sang ich. Plötzlich kamen die strömenden Herbstregen, Dauerregen die ganze Nacht, Millionen Hektar von Bo-Bäumen, die gewaschen und wieder gewaschen wurden, und in meiner Dachkammer tausendjährige Ratten, die weise schliefen.
    Morgen, das deutliche Gefühl, dass der Herbst kommt, das Ende meines Jobs kommt, wilde, windige, wolkenverrückte Tage jetzt, ein bestimmtes Gold im Mittagsdunst. Nacht, heißen Kakao gemacht und beim Holzfeuer gesungen. Ich rief Han Shan in den Bergen: Es kam keine Antwort. Ich rief Han Shan im Morgennebel: Ruhe, klang es zurück. Ich rief: Dipankara unterwies mich, indem er nichts sagte. Nebelschwaden wehten vorüber, ich schloss die Augen, der Ofen übernahm das Reden. «Heho!», rief ich, und der Vogel – vollkommenes Gleichgewicht auf der Kiefernspitze! – bewegte eben seinen Schwanz; dann war er weg, und die Ferne wurde unermesslich weiß. Dunkle wilde Nächte mit Spuren von Bären: unten in meiner Abfallgrube alte, sauer und fest gewordene Kondensmilchdosen, die angebissen und von mächtigen Mammuttatzen auseinandergerissen waren:

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