Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
meinem Rucksack den Berg hinabwanderte, und kniete auf dem Pfad nieder und sagte: «Danke, Hütte.» Dann fügte ich hinzu: «Blah», mit einem leichten Grinsen, denn ich wusste, dass die Hütte und der Berg verstehen würden, was ich meinte, und drehte mich um und ging weiter den Pfad hinab, zurück in diese Welt.
Ann Douglas «Ein Reif für die Demütigen»
Als der Zen-Dichter Gary Snyder, in Gammler, Zen und hohe Berge unter dem Namen «Japhy Ryder» verewigt, Jack Kerouac im Herbst 1955 in San Francisco kennenlernte, meinte er «eine mit Händen zu greifende Aura von Ruhm und Tod» um Kerouac zu verspüren. Snyder, damals 25, war acht Jahre jünger als Kerouac und hatte so gut wie nichts veröffentlicht. Und obwohl noch längst nicht berühmt, hatte Kerouac immerhin schon einen Roman vorzuweisen: The Town and the City war 1950 erschienen und durchweg gut rezensiert worden, aber die Verkäufe waren mau geblieben. Inzwischen fanden schrittweise eine ganze Reihe seiner jüngeren und experimentelleren Arbeiten, deren Energie und «plastische Schilderung der Menschen» Snyder ungemein beeindruckte, ihren Weg in die kleinen literarischen Zeitschriften jener Jahre. Aber Snyder wusste nicht, dass Kerouac, wie er selbst sagte, «bereits ein riesiges Lebenswerk zustande gebracht» hatte. Außerhalb seines ursprünglichen Beat-Zirkels in New York wusste das niemand. Die Entwicklung eines ganz persönlichen Stils, der durch und durch bekennend und vom Bebop beeinflusst war und den er als «spontane Prosa» bezeichnete, hatte für ihn einen Durchbruch bedeutet, in dessen Folge er in einem kreativen Kraftakt, der in der amerikanischen Literatur kaum seinesgleichen hat, zwischen 1951 und 1955 fünf bedeutende Werke schrieb, die kein Verleger haben wollte: Unterwegs , sein erster Versuch im neuen Stil, war ein halbes Dutzend Mal abgelehnt worden. Die signifikanten Avantgardewerke der anderen Gründungsmitglieder der Beat-Generation, Allen Ginsbergs Howl (1956) und William S. Burroughs Naked Lunch (1959), beide stark von Kerouacs Methode der spontanen Prosa beeinflusst, lagen schon wenige Monate nach ihrer Fertigstellung im Druck vor. Nur Kerouac musste ermüdende, herzzerreißende Wartezeiten ertragen, in denen er, wie er seinem Agenten Sterling Lord am 24. Februar 1956 schrieb, «Manuskripte produzierte», die «eins nach dem anderen im Nichts verschwinden». «Warum», grübelte er, «kapieren die nicht, dass ich gut bin?»
Doch Snyder hatte recht: Der Ruhm saß schon in den Startlöchern. Unterwegs , auch heute noch sein bekanntester Roman, kam schließlich im September 1957 heraus. Kerouac war damals noch jung und attraktiv wie ein Filmstar – Salvador Dali verkündete, er sei «noch schöner als Marlon Brando». Er war mit einer Stimme gesegnet, die an sich schon wie ein Instrument daherkam, hatte einen blitzschnellen Verstand und einen verblüffenden Instinkt für das richtige absurd-komödiantische Timing und Stegreif-himmelhoch-jauchzend-zu-Tode-betrübt-Dramen. Er wurde über Nacht zur Sensation und war der erste Literat des gerade auf Touren kommenden Medienzeitalters, der zu Talkshows im Fernsehen eingeladen wurde und seine Texte von Jazzmusikern begleitet im Village Vanguard las. Aber Aufmerksamkeit ist nicht das Gleiche wie Respekt.
Kerouac verfocht eine Methode der spontanen Komposition, die nur wenige oder keine Änderungen erlaubt und dem Autor mehr, und nicht weniger Disziplin abforderte: Der Schriftsteller muss sich, ähnlich wie ein Leichtathlet oder ein Jazzmusiker, einem täglichen und ständigen Training unterwerfen, das in seinem Fall Briefe, Zeitschriftenbeiträge und eben jenes «Skizzieren» beinhaltete – wie Kerouac seine Methode der Transkription nannte –, mit der er seine unmittelbare Umgebung so schnell es seine Finger nur zuließen erfasste; und all das für den Augenblick, in dem es ernst wurde. Die Fähigkeit zur Improvisation, die dem modernen industrialisierten Westen nichts mehr wert schien, musste erst mühselig wieder freigesetzt werden, so wie die in einer Höhle Verschütteten sich einen gefahrvollen Weg ans Tageslicht bahnen. Die Tatsache, dass Kerouacs Werk völlig offen und unverfroren autobiografisch war, dass er alles auf einem Ethos fast körperlicher Nähe aufbaute, in dem das somatische Auf und Ab des Ichs der Zensur des Verstandes trotzte und das erzählende «Ich» so nahe wie möglich an die eigene Person heranführte und damit die traditionelle Trennung zwischen
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