Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
Quentin verurteilt, die dann auf zwei reduziert wurden. Aber da war Kerouac schon für immer an die Ostküste zurückgekehrt.
In Gammler, Zen und hohe Berge will Ray nichts mit «Japhys gesellschaftlichen Vorstellungen» zu tun haben. Er hat vor, sie einfach «zu meiden, ihnen aus dem Weg zu gehen», aber das ist einfacher gesagt als getan, in diesem Buch gibt es kaum weniger Cops als in den Filmen von Chaplin. Während er nach Westen trampt, muss Ray erfahren, dass es nicht erlaubt ist, in oder nahe einer Stadt zu campen. Grenzpatrouillen und sogar seine Mit-Ranger am Desolation Peak achten peinlich genau auf die Einhaltung der Vorschriften, und Letztere erwarten dasselbe auch von ihm, während Uranprospektoren den augenscheinlich noch unberührten Nordwesten durchkämmen, immer auf der Jagd nach jenen Dollars, die das schnell expandierende Atomwaffenprogramm der Regierung abwirft. Der fette, bösartige Cowboy, der in Nordkalifornien mit seinem Kieslaster offenbar absichtlich versucht, Rays Rucksack zu überfahren, nimmt die Bürgerwehr in Easy Rider (1969) vorweg, und Codies Freundin Rosie (für die Natalie Jackson, im wahren Leben Cassadys Geliebte, als Vorbild diente), die Modell steht und «ein wirklich abgefahrenes Mädchen» ist, wird innerhalb kürzester Zeit zu einem völlig abgemagerten, verwirrten Junkie (wie es sie dann in den Sechzigern zuhauf geben sollte) und wütet über eine unmittelbar bevorstehende «riesige neue Polizeirevolution» – «die werden alle in den Knast stecken!» Bevor sie sich umbringt, versucht Ray ihr klarzumachen, dass das ganze Leben «nur ein Traum» ist, dass stattdessen eine «Rucksackrevolution» kommt, aber sie glaubt ihm nicht und schafft es auch fast, wie er eingesteht, ihn zu überzeugen.
Als Kerouac seinen Essay für Holiday schrieb, war er bereits in Rosies Lager übergewechselt. Die «tausendundein Schlupfwinkel der industriellen Nacht» sind mit Brettern vernagelt worden; Cops in fünftausend Dollar teuren Streifenwagen «schikanieren das erstbeste menschliche Wesen, das ihnen unter die Augen kommt … alles, was sich ohne Benzin oder Elektrizität bewegt oder nicht zu Armee oder Polizei gehört». Kerouacs Herz gehört den Heimatlosen, den Leuten, die nicht zur neuen Atomfamilie und einem Staat gehören, der sie gleichermaßen belohnt wie kontrolliert; denn der größte Teil der Amerikaner sitzt zu Hause und «sieht den Cophelden im Fernsehen zu». Die Polizeiserie Dragnet war ein riesiger Erfolg und nach achtjähriger Laufzeit gerade beendet, und der Nachfolger Naked City sollte bis 1963 auf Sendung sein. Sogar in der entlegenen Wildnis, die Snyder und er gemeinsam erkundet hatten, war ständig ein Hubschrauber am «Herumspionieren». Es ist schon schlimm genug, dass der Tramp obsolet geworden ist – der Hobo, der einen Lift auf einem Düsenjet ergattert, muss erst noch geboren werden – jetzt wird er auch noch als «Vergewaltiger, … Strangulierer und Kinderfresser» pathologisiert. Kerouac sagte, dass er ab 1956 nichts mehr von der Straße wissen wollte, jenem Jahr, in dem Snyder die USA verließ. «Das Einzige, was jetzt noch zu tun bleibt, ist, allein in einem Zimmer zu sitzen und sich zu betrinken.» Kerouacs Essay in Holiday wurde von Anzeigen für «gemütliche Hausschuhe» und Pauschalreisen nach Skandinavien eingerahmt. Es stimmt schon, dass die Rucksackrevolution – noch während Kerouac seinen Essay schrieb – bereits in den Startlöchern saß; schon bald sollte das Land mit öffentlichen Campingplätzen und Hippiekommunen gepflastert sein. Doch was immer Kerouac auch tat, er war nie ein Nachahmer. Die Hippies, schrieb er in «Nach mir die Sintflut», einem erst postum 1969 veröffentlichten Essay, seien Heuchler, die sich ihre eigenen Fundraising-Dinner organisierten, «Parasiten, die sich von ihrem fetten staatlichen Wirt ernähren» und nur wenig mit jenen gemein hatten, die ein oder zwei Jahrzehnte zuvor versucht hatten, in den Randzonen Amerikas ein anderes Leben zu führen.
Ginsberg fand Gammler, Zen und hohe Berge geschönt, weniger persönlich und «wild» als Kerouacs andere Hauptwerke, und Kerouac war sich durchaus darüber im Klaren, dass er die eher optimistischen Augenblicke hervorgehoben und die dunkleren Aspekte verharmlost hatte. Natalie Jacksons Selbstmord nimmt in der Druckfassung nur noch ein paar Seiten ein, während er im ersten Entwurf vom März 1957 als Höhepunkt des Romans beschrieben wurde; und ursprünglich sollte
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