Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
Vom Netzwerk:
versuche: Es sind deine sechs Sinne, die dich zu dem Glauben verleiten, nicht nur, dass du sechs Sinne hast, sondern auch, dass du mit ihnen den Kontakt zur wirklichen Außenwelt herstellst. Wenn du deine Augen nicht hättest, würdest du mich nicht sehen. Wenn du deine Ohren nicht hättest, würdest du dieses Flugzeug nicht hören. Wenn du deine Nase nicht hättest, würdest du die mitternächtlich duftende Minze nicht riechen. Wenn du mit deiner Zunge nicht schmecken könntest, würdest du den Unterschied zwischen A und B nicht schmecken. Wenn du deinen Körper nicht hättest, würdest du Princess nicht fühlen. Es gibt mich nicht. Es gibt das Flugzeug nicht. Es gibt keine Seele und keinen Geist. Es gibt Princess nicht. Es gibt gar nichts. Willst du dich denn in Dreiteufelsnamen dein Leben lang ununterbrochen zum Narren halten lassen?»
    «Ja, mehr will ich nicht. Ich danke Gott dafür, dass aus dem Nichts ein Etwas entstanden ist.»
    «Dann will ich dir mal was ganz Neues erzählen: Es ist genau andersherum! Das Nichts ist aus dem Etwas entstanden, und das Etwas ist Dharmakaya, der Wahre Sinn, und das Nichts ist unser ganzes Gerede. Ich gehe jetzt ins Bett.»
    «Wirklich, manchmal erkenne ich einen Funken Erkenntnis in dem, was du mir zu erklären versuchst, aber glaub mir, der Umgang mit Princess hat mehr von einem Satori als der Umgang mit Worten.»
    «Das ist ein Satori deines törichten Fleisches, du Lustmolch.»
    «Ich weiß dass mein Erlöser lebet.»
    «Welcher Erlöser, und wie lebet?»
    «Ach lassen wir das und leben wir einfach.»
    «Quatsch, Alvah, wenn ich so wie du denken würde, dann wäre ich inzwischen genauso dickschädelig und unglücklich. Alles was du willst ist da draußen herumzulaufen und gevögelt zu werden und vermöbelt zu werden und vor die Hunde zu gehen und alt und krank zu werden und dich vom Samsara herumstoßen zu lassen, du verdammtes ewig wiedergeborenes Fleisch du du verdienst es auch so ist’s doch.»
    «Das ist nicht nett von dir. Allen ist zum Heulen, und jeder versucht mit dem klarzukommen, was er bekommen hat. Der ganze Buddhismus hat dich zu einem Ekel gemacht, Ray! Du hast sogar Angst, dich auszuziehen und an einer ganz einfachen, gesunden Orgie teilzunehmen.»
    «Na, schließlich habe ich doch mitgemacht, oder nicht?»
    «Aber du hast dich erst mordsmäßig angestellt. Doch reden wir nicht mehr davon.»
    Alvah ging ins Bett, und ich saß da und schloss die Augen und dachte: ‹Nun hat alles Denken aufgehört›, aber weil ich das denken musste, hatte das Denken nicht aufgehört, doch da überkam mich eine Woge der Freude, weil ich wusste, dass alle Verwirrung nichts als ein Traum war, der schon zu Ende ging, und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, weil ich nicht ‹Ich› war, und ich betete, dass Gott oder Tathagata mir genügend Zeit und genügend Verstand und Kraft geben möge, allen Leuten zu berichten, was ich wusste (was ich sogar heute noch nicht richtig kann), auf dass sie wissen, was ich wusste, und nicht so sehr verzweifeln. Der alte Baum brütete schweigend über meinem Kopf, ein lebendiges Wesen. Ich hörte im Garten eine Maus zwischen dem Unkraut schnarchen. Die Häusergiebel von Berkeley wirkten wie eine bedauernswerte lebendige Substanz, die voller Erbarmen kummervolle Hirngespinste vor der Ewigkeit der Himmel schützten, denen gegenüberzutreten sie sich fürchteten. Als ich dann ins Bett ging, gab es für mich keine Princess mehr und keine Sehnsucht nach Princess, und niemand war mit mir unzufrieden, und ich fühlte mich glücklich und schlief gut.

6. Kapitel
    Dann wurde es Zeit für unsere große Bergtour. Japhy kam am späten Nachmittag mit seinem Fahrrad vorbei, um mich abzuholen. Wir holten Alvahs Rucksack heraus und taten ihn in seinen Fahrradkorb. Ich holte Socken und Sweater heraus. Aber ich hatte keine Bergschuhe, und das Einzige, was zur Not gepasst hätte, waren Japhys Tennisschuhe, alt, aber fest. Meine eigenen Schuhe waren zu kaputt und abgetragen. «Das wird schon gehen, Ray; wenn du Tennisschuhe anhast, sind deine Füße leicht, und du kannst mühelos von Fels zu Fels springen. Natürlich werden wir von Zeit zu Zeit die Schuhe austauschen, und so werden wir es schon schaffen.»
    «Und was nehmen wir zu essen mit?»
    «Ehe ich dir sage, wie wir das mit dem Essen machen, R-a-a-y» (manchmal nannte er mich beim Vornamen, und dann kam das ‹R-a-a-y› immer langgezogen und traurig heraus, als ob er um mein Wohlergehen besorgt

Weitere Kostenlose Bücher