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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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vor, aber nicht, weil er einen dicken Bauch, sondern weil er ein so hohles Kreuz hat. Aber das gleicht sich durch seine langen, kräftigen Schritte wieder aus. Seine Schritte sind wirklich so lang wie die eines großen Mannes, das merkte ich, als ich ihm bergaufwärts folgte, und seine Brust ist weit, und seine Schultern sind breit.
    «Menschenskind, Japhy, ich fühle mich großartig heute Morgen», sagte ich, als wir den Wagen abschlossen und uns alle drei auf den Weg machten, die Uferstraße entlang, den Rucksack auf dem Rücken. Wir schlenderten etwas ziellos dahin, mal auf der einen Seite, dann in der Mitte, dann auf der anderen Seite der Straße, wie Infanteristen, die zum Angriff ausschwärmen. «Ist das nicht so verdammt besser als ’ne Kneipe? Drinnen sitzen und sich besaufen, vergammelt und sauer, und draußen ist so ein frischer Sonnabendmorgen, und wir gehen hier an diesem frischen, reinen See entlang, in dieser herrlichen Luft. Mein Gott, ist es nicht dasselbe wie die siebzehn Silben eines Haiku?»
    «Vergleiche sind scheußlich, Smith», sagte er vorn, und die Worte segelten an meinem Ohr vorbei. Das war ein Cervantes-Zitat und außerdem auch noch eine Beobachtung aus der Welt des Zenbuddhismus. «Es ist wirklich scheißegal, ob du in der Kneipe sitzt oder aufs Matterhorn steigst, es ist überall dieselbe große Leere, mein Junge.» Und ich sann darüber nach und stellte fest, dass er recht hatte. Vergleiche sind scheußlich, es ist alles dasselbe, aber ich war in Mordsform, und plötzlich war ich fest davon überzeugt, dass dies alles gut für mich ist, trotz der geschwollenen Adern an meinen Füßen, und dass es mich vom Trinken abbringen würde und dass ich von nun an vielleicht an einer ganz neuen Art zu leben Spaß hätte.
    «Japhy, ich bin froh, dass ich dich kennengelernt habe. Ich werde von dir alles lernen, was man vom Rucksackpacken wissen muss und wie ich mich am besten in diesen Bergen verstecke, wenn mir die Zivilisation zum Halse heraushängt. Wirklich, ich bin froh darüber, dass ich dich kennengelernt habe.»
    «Weißt du, Smith, auch ich bin froh darüber. Nun lerne ich spontanes Schreiben und was dazugehört.»
    «Ach, das ist doch nicht so wichtig.»
    «Für mich ist das sehr wichtig. Aber nun ein bisschen schneller, Jungs, wir haben keine Zeit zu verlieren.»
    Nach und nach kamen wir an die Stelle, wo der gelbe Staub hochwirbelte, wo große Dampfwalzen herumfuhrwerkten und wo große, dicke, fette und verschwitzte Arbeiter, die uns nicht einmal ansahen, fluchten und auf ihre Arbeit schimpften. Denen hätte man doppelten Stundenlohn geben müssen, damit sie auf einen Berg klettern, und heute, am Sonnabend, sogar vierfachen.
    Japhy und ich lachten, als wir daran dachten. Ich kam mir mit meinem albernen Barett ein bisschen komisch vor, aber die Leute an der Walze sahen nicht mal hin, und bald hatten wir sie hinter uns und näherten uns dem letzten kleinen Laden am Fuß des Bergpfades. Es war ein Holzhäuschen, stand direkt am Ende des Sees. Die ansteigenden Hänge des Vorgebirges gewährten ihm Schutz in einer v-förmigen Nische. Hier hielten wir an und ruhten uns ein wenig auf den Stufen aus. Wir waren annähernd sieben Kilometer gewandert, immer auf ebener, guter Straße, und gingen hinein und kauften Süßigkeiten und Crackers und Colas und alles Mögliche. Plötzlich sagte Morley, der die sieben Kilometer nicht eine Sekunde still gewesen war und in seiner Reiseausrüstung sehr komisch aussah, bepackt mit dieser riesigen Luftmatratze und ohne Hut auf dem Kopf, sodass er genauso aussah wie sonst in der Bibliothek, nur mit großen ausgebeulten Hosen, und plötzlich sagte Morley, dass er vergessen hatte, das Kühlwasser ablaufen zu lassen.
    «Ach nein, er hat vergessen, das Kühlwasser ablaufen zu lassen», sagte ich, als ich das allgemeine Entsetzen feststellte. Ich verstand nicht viel von Autos. «Ach nein, wirklich, er hat vergessen, das Fühlwasser absaufen zu lassen.»
    «Nein, das bedeutet, dass der verdammte Kühler in die Luft geht, wenn die Temperatur heute Nacht hier unter null sinkt, und wir können nicht nach Hause zurückfahren und müssen die zwanzig Kilometer nach Bridgeport zu Fuß gehen und sitzen ganz schön fest.»
    «Vielleicht wird es heute Nacht ja gar nicht so kalt!»
    «Darauf können wir es nicht ankommen lassen», sagte Morley, und inzwischen war ich stocksauer auf ihn, weil ihm immer wieder was Neues einfiel, was er vergessen könnte, und weil er diese

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