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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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beobachteten, wie auf der nicht sehr belebten Straße gelegentlich ein nicht gerade brausender Verkehr vorüberging, und wogen die Chancen eines jungen Indianers ab, der nach Norden trampen wollte. Wir unterhielten uns angelegentlich über ihn. «Darauf steh ich, in der Gegend herumtrampen und sich frei fühlen! Stell dir vor: Obgleich er ein Indianer ist, kann er das alles machen. Verdammt nochmal, Smith, wir gehen mal hin zu ihm und wünschen ihm Glück.» Der Indianer war nicht sehr gesprächig, aber unfreundlich war er auch nicht, und erzählte uns, dass er auf der 395 ziemlich langsam vorankam. Wir wünschten ihm Glück. Von Morley immer noch keine Spur. Dabei war die Stadt klitzeklein.
    «Was macht er bloß? Ob er dahinten irgendwo einen Geschäftsinhaber aus dem Bett scheucht?»
    Schließlich kam Morley zurück und erzählte, dass er das Gewünschte nicht gefunden hätte, und ihm bliebe nichts anderes übrig, als bei der Seehütte ein paar Decken auszuleihen. Wir stiegen ins Auto, fuhren die Straße ein paar Kilometer zurück, abwärts, und wandten uns nach Süden, wo hoch in der blauen Luft der ewige Schnee glitzerte, in dem es keine Wagenspuren gab. Wir fuhren am wundervollen Twin Lakes entlang und kamen zur Seehütte, einem großen weißen Wirtshaus aus Holz, Morley ging hinein, lieh sich zwei Decken für eine Nacht und hinterlegte fünf Dollar. Eine Frau stand in der Tür, die Arme in die Seiten gestemmt. Hunde bellten. Die Straße war staubig. Eine dreckige Straße. Aber der See war rein wie das Blau des Himmels. Klippen und Hügel spiegelten sich genau wider. Aber die Straße wurde gerade ausgebessert, und wir konnten sehen, wie vor uns gelber Staub hochwirbelte. An dieser Baustelle an der Uferstraße mussten wir vorbei, ehe wir am Ende des Sees einen kleinen Gebirgsbach überqueren konnten, und dann hinauf durchs Unterholz, hinauf zu dem Punkt, wo der Pfad beginnt.
    Wir parkten das Auto und holten unsere ganzen Utensilien raus und breiteten sie in der warmen Sonne aus. Japhy tat irgendwas in meinen Rucksack und sagte, ich müsste das tragen oder in den See springen. Er war sehr ernst und bestimmt in seinen Anweisungen, und das gefiel mir ausgezeichnet. Mit derselben jungenhaften Feierlichkeit ging er dann hinüber zum Staub der Straße und zog mit der Spitzhacke einen großen Kreis und fing an, alles Mögliche in diesen Kreis zu malen.
    «Was soll das?»
    «Ich zeichne ein magisches Mandala, das uns nicht nur bei unserem Aufstieg hilfreich sein wird. Noch ein paar Zeichen und Beschwörungsformeln, und ich bin in der Lage, daraus die Zukunft vorauszusagen.»
    «Was ist ein Mandala?»
    «Das sind buddhistische Zeichnungen, lauter Kreise, die mit allem Möglichen ausgefüllt werden, wobei der Kreis die Leere und die hineingezeichneten Sachen die Illusion verkörpern, verstehst du? Manchmal sieht man Mandalas, die quer über den Kopf eines Bodhisattva gezeichnet sind, und wenn du sie durchliest, erfährst du seine Lebensgeschichte. Kommt aus Tibet.»
    Ich hatte meine Tennistreter an, und nun holte ich mit Schwung meine Bergsteigermütze heraus, die Japhy mir anvertraut hatte, ein kleines schwarzes französisches Barett, das ich mir schief und verwegen aufsetzte, und ich schwang mir den Rucksack über die Schulter und war abmarschbereit. In den bequemen Schuhen und dem Barett kam ich mir mehr wie ein bohemehafter Maler als wie ein Bergsteiger vor. Aber Japhy hatte seine feinen großen Stiefel an und trug seinen grünen Schweizer Berghut mit einer Feder dran und sah wie ein verhutzelter Zwerg aus. Ich sehe das Bild noch vor mir, er allein in den Bergen in diesem Aufzug! Die Vision: Es ist ein klarer Morgen in den hohen, trockenen Sierras, weit entfernt kann man deutlich sehen, wie Tannen ihren Schatten auf die Wände felsiger Hügel werfen, noch entfernter schneebedeckte Nadelspitzen, mehr in der Nähe die großen buschigen Formen von Fichten, und da ist Japhy in seinem kleinen Hut, den großen Rucksack auf dem Rücken, schwerfällig daherstapfend, aber mit einer Blume in der linken Hand, die er am Riemen des Rucksacks auf der Brust befestigt hat. Überall wächst Gras aus Felsen und Geröll hervor. Man kann sehen, wie in der Ferne Schübe von Schutt die Hänge herunterkollern. Seine Augen leuchten vor Freude. Er ist auf dem Weg. Seine Helden sind John Muir und Han Shan und Shih-te und Li Po und John Burroughs und Paul Bunyan und Kropotkin. Er ist klein, und sein Bauch wölbt sich beim forschen Gehen lustig

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