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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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selbst an, wodurch ich versuchte, das Geheimnis des Seins überhaupt zu erahnen. Ich starrte die heiligen, gelben, langen, schwankenden Gräser an, die unmittelbar vor meiner gräsernen Sitzmatte, meinem Tathagata-Sitz der Reinheit, wuchsen, wie sie in alle Richtungen zeigten und sich haarig unterhielten, während die Winde Ta Ta Ta diktierten; tratschende Gruppen im Gespräch mit einigen einzelnen Gräsern, die stolz nebenan prahlten, oder kranke und halbtote, fallende, die ganze Gemeinde der lebenden Gräserwelt, die im Wind plötzlich wie Glocken erklang und sich begeistert aufrichtete und alle gelb und am Boden fest, und ich dachte: ‹Dies ist es.› «Rop, rop, rop», rief ich den Gräsern zu, und sie zeigten windwärts und streckten vernunftbegabte Fühler aus, um darauf hinzuweisen, dass auch ihre Existenz sich aus dem feuchten Wirrwarr der Erde zum Karma von Wurzel, Stamm und Blüte verklärt hat. Es war nicht ganz geheuer. Ich schlief ein und träumte die Worte: ‹Durch diese Lehren kam das Ende der Welt›, und ich träumte von meiner Mutter, wie sie feierlich mit dem ganzen Kopf nickte, ja, ja, ja, und mit geschlossenen Augen. Was kümmerten mich all die ärgerlichen Schmerzen und lästigen Übel der Welt, die menschlichen Gebeine sind nur eitle Striche – die reine Zeitverschwendung! –, das ganze All ist ein leeres Loch mit Sternen. ‹Ich bin Bhikku Leere Ratte›, träumte ich.
    Was überhaupt kümmerte mich das Kreischen dieser überall herumstreunenden reinen Person? Ich befasste mich mit herausgeweht sein, abgeschnitten sein, geschnippelt, ausgeblasen sein, ausgestoßen sein, ausgeschaltet sein, nichtspassiert sein, vergangen sein, die gekappte Verbindung, nir, Verbindung, varna, schnapp!
    ‹Der Staub meiner Gedanken in einer Erdkugel gesammelt›, dachte ich, ‹in dieser zeitlosen Einsamkeit›, dachte ich und lächelte wirklich, denn ich sah endlich das weiße Licht überall, alles.
    Einmal tief in der Nacht ließ der warme Wind die Kiefern zu mir reden; da begann ich zu erleben, was ‹Samapatti› genannt wird, was im Sanskrit Übersinnliche Besuche bedeutet. Ich war geistig etwas schläfrig geworden, aber saß, körperlich gewissermaßen hellwach, aufrecht unter meinem Baum, als ich plötzlich Blumen sah, rosa Welten von Blumenwänden, lachsrosa, in dem Schsch stiller Wälder (das Nirwana zu erlangen, ist wie das Ausfindigmachen der Stille), und ich hatte eine Vision aus alten Zeiten, Dipankara Buddha, welcher der Buddha war, der niemals etwas sagte, Dipankara als einen riesigen, verschneiten Pyramiden-Buddha mit buschigen, wilden, schwarzen Augenbrauen wie John L. Lewis und einem schrecklichen starren Blick, alles in altertümlicher Umgebung, auf einem uralten verschneiten Acker wie Alban («Ein neues Feld!», hatte die schwarze Predigerin gerufen), die ganze Vision ließ mir die Haare zu Berge stehen. Ich erinnere mich des seltsamen, magischen, unverständlichen Schreis, den sie mir entlockte, als alles vorbei war: Colyalcolor. Sie, die Vision, vermittelte in keinem Augenblick das Gefühl, dass ich ich selbst war, sie war eine Ichlosigkeit. ‹Alles ist in Ordnung›, dachte ich. ‹Form ist Leere, und Leere ist Form, und wir sind auf ewig hier in der einen oder anderen Form, die leer ist. Was die Toten vollbracht haben, dies reiche, stille Schweigen des Reinen, Erweckten Landes.›
    Ich hatte Lust, laut über die Wälder und Dächer von North Carolina zu rufen und die herrliche und einfache Wahrheit zu verkünden. Dann sagte ich: «Ich habe meinen vollen Rucksack, und es ist Frühling, ich will nach Südwesten in das trockene Land fahren, in das weite, einsame Land von Texas und Chihuahua und in die fröhlichen Straßen der mexikanischen Nacht, Musik kommt aus den Türen, Mädchen, Wein, Marihuanageruch, wilde Hüte, Vivat! Was macht’s schon? Wie die Ameisen, die nichts zu tun haben, als den ganzen Tag zu graben, so habe ich nichts zu tun, als zu tun, was ich will, und freundlich zu sein und mir trotzdem keine voreiligen Urteile anzumaßen und um die Erleuchtung zu beten.» Als ich daher in meiner Buddha-Laube saß, in der (Colyalcolor-)Wand aus rosa und roten und elfenbeinweißen Blumen, zwischen Gehegen magischer, transzendentaler Vögel, und meinen erwachenden Geist erkannte, süße, überirdische Schreie dabei ausstieß, in dem ätherischen Duft, geheimnisvoll altertümlich, der Seligkeit der Buddha-Acker, da sah ich, dass mein Leben eine riesige, glühende, leere Seite war und

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