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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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dass ich alles tun konnte, was ich wollte.
    Am nächsten Tag passierte etwas Seltsames, das die wahre Kraft verdeutlichte, die ich aus diesen magischen Visionen gewonnen hatte. Meine Mutter hatte seit fünf Tagen gehustet, und sie hatte Schnupfen, und jetzt fing ihr Hals an so wehzutun, dass das Husten schmerzhaft war und sich gefährlich anhörte. Ich beschloss, in einen tiefen Trancezustand zu versinken und mich selbst zu hypnotisieren, und dabei immer im Gedächtnis zu behalten: ‹Alles ist leer und wach›, um zu erforschen, wodurch die Krankheit meiner Mutter verursacht worden ist und wie man sie heilen kann. Auf der Stelle sah ich mit geschlossenen Augen die Vision einer Schnapsflasche, die ich dann als ‹Heet›-Einreibemittel erkannte, und darüber, hineinkopiert wie im Film, sah ich deutlich kleine, weiße Blumen, rund, mit kleinen Blättchen. Ich stand sofort auf, es war Mitternacht, meine Mutter hustete in ihrem Bett, und ich nahm mehrere Schalen mit Scharfem Hahnenfuß, die meine Schwester die Woche davor im ganzen Haus aufgestellt hatte, und setzte sie nach draußen. Dann nahm ich etwas ‹Heet› aus der Hausapotheke und sagte meiner Mutter, sie solle sich den Nacken damit einreiben. Am nächsten Tag war sie gesund. Später, als ich schon nach Westen weggetrampt war, hörte eine mit uns befreundete Krankenschwester die Geschichte und sagte: «Ja, das hört sich so an, als ob sie den Blumen gegenüber allergisch war.» Dies war mein erstes und letztes ‹Wunder›, denn ich hatte Angst, zu großes Interesse daran zu bekommen und eitel zu werden. Ich fürchtete mich auch ein bisschen vor der ganzen Verantwortung.
    Alle in der Familie hörten von meiner Vision und was ich tat, aber sie schienen nicht viel davon zu halten: ich eigentlich auch nicht. Und das war richtig. Ich war jetzt sehr reich, ein Super-Myriaden-Trillionär an überirdischer Samapatti-Gunst, als Lohn für meine Karma-Demut, vielleicht weil ich den Hund bemitleidet und den Menschen verziehen hatte. Aber ich wusste nun, dass ich ein Erbe der Seligkeit war und dass die letzte Sünde, die schlimmste, Selbstgerechtigkeit war. Also würde ich den Mund halten und mich auf den Weg machen und Japhy besuchen. In meiner letzten Nacht im Wald vor meiner Abfahrt per Anhalter hörte ich das Wort Sternkörper , als ich darüber nachsann, dass die Dinge nicht geschaffen werden müssen, um zu vergehen, sondern um zu erwachen, zu ihrem allerreinsten Wahrkörper und Sternkörper. Ich sah, dass es nichts zu tun gab, weil niemals etwas geschah, niemals etwas geschehen würde, alle Dinge leeres Licht waren. So fuhr ich gut gefestigt los, mit meinem Rucksack, und küsste meine Mutter zum Abschied. Sie hatte fünf Dollar bezahlt, um nagelneue dicke Gummisohlen mit Querleisten unter meine alten Stiefel machen zu lassen, und nun war ich fix und fertig, um im Sommer im Gebirge zu arbeiten. Unser alter Freund aus dem Dorfladen, Buddhy Tom, ein Typ für sich, brachte mich in seinem Fahrzeug raus auf den Highway 64, und da winkten wir uns Auf Wiedersehen zu, und ich machte mich daran, fünftausend Kilometer zurück nach Kalifornien zu trampen. Nächste Weihnacht würde ich wieder zu Haus sein.

22. Kapitel
    Währenddessen wartete Japhy auf mich in seiner schönen, kleinen Hütte in Corte Madera, Kalifornien. Er hatte sich in Sean Monahans Einsiedelei eingerichtet, einer Holzhütte; die war im Windschutz von Zypressen auf einem steilen, kleinen, grasbewachsenen Hügel gebaut, der auch mit Eukalyptusbäumen und Kiefern bestanden war, hinter Seans Haupthaus. Die Bude war vor Jahren von einem alten Mann gebaut worden, der darin sterben wollte. Sie war noch recht stabil. Ich war eingeladen, dort so lange zu wohnen, wie ich wollte, mietfrei. Die Bude war, nachdem sie jahrelang verfallen dagestanden hatte, wieder wohnbar gemacht worden von Sean Monahans Schwager Whitey Jones, einem tüchtigen, jungen Zimmermann, der grobe Leinwand über die Holzwände gespannt, einen guten Holzofen und eine Petroleumlampe reingestellt und dann überhaupt nicht drin gewohnt hatte, da er außerhalb der Stadt zur Arbeit gehen musste. So zog Japhy ein, um seine Studien zu beenden und das herrliche Einsiedlerleben zu führen. Wenn ihn jemand besuchen wollte, war das eine steile Kletterei. Auf dem Boden lagen geflochtene Grasmatten, und Japhy sagte in einem Brief: «Ich sitze und rauche eine Pfeife und trinke Tee und höre, wie der Wind die schlanken Eukalyptuszweige wie Peitschen schlägt und

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