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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Bodhisattva Okie mit einer Niere einsteigen ließ und sagte: «Ich bin so stolz, dass ich dich mitgenommen habe, jemand, mit dem man sich unterhalten kann», und überall, wo wir zum Kaffeetrinken anhielten, bediente er mit todernster Miene die Spielautomaten, und außerdem ließ er alle Anhalter auf der Straße einsteigen, erst einen großen Okie aus Alabama mit breitem Dialekt, dann einen irren Seemann aus Montana voll verrückter, intelligenter Reden, und wir zischten mit einhundertdreißig direkt nach Olympia, Washington, rauf, dann auf kurvenreichen Waldstraßen die Olympic Peninsula rauf zum Marinestützpunkt in Bremerton, Washington, wo mich nur noch eine Fahrt auf der Fähre zu fünfzig Cents von Seattle trennte!
    Wir sagten auf Wiedersehen, und der Okie-Gammler und ich gingen auf die Fähre, ich bezahlte sein Fahrgeld aus Dankbarkeit für mein fantastisches Glück unterwegs und gab ihm sogar ein paar Handvoll Erdnüsse und Rosinen, die er hungrig verschlang, darum gab ich ihm auch noch Salami und Käse.
    Dann, während er im Hauptraum saß, ging ich aufs Oberdeck. Als die Fähre auslief, fiel ein kalter Nieselregen. Die Fahrt bis in den Hafen von Seattle dauerte eine Stunde, und ich fand eine kleine Flasche Wodka, die in die Deckreling gesteckt und unter einem Time-Magazin verborgen war, und trank sie so im Vorbeigehen aus und machte meinen Rucksack auf und holte meinen warmen Pullover raus, um ihn unter meiner Regenjacke anzuziehen, und schritt ganz allein auf dem kalten nebelüberfluteten Deck auf und ab, in einer wilden und lyrischen Stimmung. Und plötzlich sah ich, dass der Nordwesten eine ganze Menge mehr war als die kleine Vision, die mir vorschwebte, seit ich Japhy zugehört hatte. Da gab es kilometerweit unglaubliche Berge, die sich an allen Horizonten in wilden, zerklüfteten Wolken verloren, Mount Olympus und Mount Baker, eine gigantische, orangenfarbene Schärpe am finsteren Himmel über dem Pazifik, bis hin zu den Hokkaido-Sibirischen Wüsteneien der Welt. Ich kauerte mich gegen das Ruderhaus und hörte das Mark-Twain-Gerede des Kapitäns und des Rudergängers. Im dunkler gewordenen Abendnebel voraus die großen roten Neonzeichen: PORT OF SEATTLE. Und plötzlich sickerte alles, was Japhy mir je von Seattle erzählt hatte, wie kalter Regen in mich ein, jetzt konnte ich es spüren und sehen, nicht nur denken. Es war genau so, wie er gesagt hatte: nass, unermesslich, waldig, bergig, kalt, lockend, herausfordernd. Die Fähre manövrierte sich beim Alaskan Way an den Kai, und sofort sah ich in alten Läden die Totempfähle und die altertümliche 1880er Rangierlok, die mit schläfrigen Heizern an der Kaimauer auf und ab tuckerte, wie ein Bild aus meinen eigenen Träumen, die alte Casey-Jones-Lokomotive Amerikas, die einzige die ich jemals außerhalb von Wildwestfilmen gesehen habe, die aber tatsächlich in Betrieb war und im rauchigen Dunkel der magischen Stadt Güterwagen schleppte.
    Ich ging sofort in ein gutes, sauberes, billiges Hotel, das Hotel Stevens, kriegte für die Nacht ein Zimmer zu einem Dollar fünfundsiebzig und nahm ein heißes Wannenbad und schlief gut und lange, und am Morgen rasierte ich mich und ging raus auf die First Avenue und fand zufällig alle möglichen Goodwill-Läden, die wunderbare Pullover und rote Unterwäsche zu verkaufen hatten, und frühstückte groß mit Kaffee zu fünf Cents auf dem gedrängelt vollen Markt am Morgen mit blauem Himmel und dahinfliegenden Wolken und dem Wasser des Puget Sound, das unter alten Kaimauern glitzerte und tanzte. Es war richtiger, echter Nordwesten. Mittags zog ich aus dem Hotel aus, meine neuen Wollsocken und Bandanas und die anderen Sachen alle fröhlich eingepackt, und ging ein paar Kilometer aus der Stadt auf die 99 raus und kam in vielen kleinen Etappen voran.
    Nun sah ich allmählich die Cascadas am nordöstlichen Horizont, unglaubliche Zacken und gewundener Fels und schneebedeckte endlose Weiten, die Spucke konnte einem wegbleiben. Die Straße lief mitten durch die verträumten, fruchtbaren Täler des Stilaquamish und des Skagit, reiche, butterfette Täler mit Farmen und weidenden Kühen vor dem ungeheuren Hintergrund schneeglänzender Massive. Je weiter nördlich ich trampte, desto höher wurden die Berge, bis ich schließlich langsam Angst kriegte. Ich wurde von einem Typ mitgenommen, der wie ein bebrillter, pedantischer Rechtsanwalt in einem biederen Wagen aussah, sich aber als der berühmte Bat Lindstrom entpuppte, der

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