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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Piñeiro
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nicht in einer halben Stunde zum See im Palermo-Park komme, stellt sie was an. Ich konnte nicht zulassen, dass die Frau sich umbringt, das verstehst du doch, oder?« – »Für wen hältst du mich, Ernesto?« – »Ich bin also hingefahren. Und ich habe dich angelogen, bitte verzeih mir, es gab keine Probleme mit dem Computersystem im Büro. Ich musste sie von ihrem Vorhaben abbringen.« Ich nickte verständnisvoll. »Als ich ankam, hat sie geglaubt, ich sei wegen etwas anderem da, sie hat sich eingebildet, sie hätte mich rumgekriegt … Kannst du dir das vorstellen, Inés?« – »Die war ja wohl total durchgedreht, Ernesto! Ich meine, die ist ja wohl total durchgedreht«, verbesserte ich mich. »Sie hat sich jedenfalls auf mich gestürzt, sie wollte mich küssen, was weiß ich, es ist mir wirklich peinlich, dir das zu erzählen.« – »Ernesto, keine Sorge, ich bin deine Frau, ganz egal, was du noch zu erzählen hast.« Ernesto küsste mir die Hände. »Und dann geschah das Unglück. Ich wollte sie zurückhalten, ich wollte nicht von ihr berührt werden und schon gar nicht geküsst. Aber sie konnte das nicht akzeptieren. Da wollte ich wieder gehen. Aber sie hat sich an mich geklammert, und da habe ich sie geschubst, um sie loszuwerden. Dabei …« Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch und rief: »Bums!« Ernesto schien es gar nicht wahrgenommen zu haben, er sagte: »Sie ist unglücklich gestürzt und mit dem Kopf gegen einen Baumstamm geprallt, und dabei hat sie sich das Genick gebrochen!« – »Ernesto!«, rief ich und schlug mir die Hand vor den Mund. »Das Schicksal hat es so gewollt«, sagte Ernesto. »Ein bedauerlicher Unfall, niemand kann etwas dafür«, sagte ich. »Ganz genau«, sagte Ernesto. Ich streichelte sein Gesicht, wir sahen uns lächelnd an. Wieder küsste er meine Hände. »Ich habe dir das alles bloß erzählt, weil ich möchte, dass du Bescheid weißt, wenn ich mich jetzt vor anderen Leuten zu der Sache äußern muss. Außerdem, wie stünde Alicia denn da – du als Frau verstehst das doch, stimmts?« – »Völlig klar, Ernesto, natürlich verstehe ich das.« – »Deshalb wollte ich die Sache auch nicht bei der Polizei melden, ich glaube, es ist besser, erst einmal ein bisschen Zeit verstreichen zu lassen, wenn dann jemand nach Alicia fragen sollte, kann keiner mehr irgendwelche falschen Schlüsse ziehen.« – »Da bin ich ganz deiner Meinung, Ernesto.« – »Wie schwer das für mich ist, kannst du dir vorstellen, einfach so tun, als wüsste ich nicht, wo die arme Alicia steckt … « Er bekam feuchte Augen. »Wo wir gerade davon sprechen – wo ist sie denn jetzt, Ernesto?« Er seufzte. »Ich habe sie im See versenkt.« Ernesto drückte meine Hand. Ich küsste seine Hand. »Armer Ernesto, was du hast durchmachen müssen … « – »Ich hab eins von den Ruderbooten genommen, die man am See mieten kann, habe sie reingelegt und bin bis in die Mitte des Sees gerudert, und dann, na ja … « Jetzt hätte er wirklich fast losgeheult. Ich stand auf und legte die Arme um ihn. »Kann ich dich um etwas bitten?« – »Was auch immer du willst, Ernesto.« – »Am liebsten wäre es mir, wir wären die ganze letzte Nacht zusammen gewesen, zu Hause. Ein anderes Alibi habe ich nicht, aber ich brauche eins. Wenn ich sage, ich bin weg gewesen, aber gleich wiedergekommen, wird alles bloß furchtbar kompliziert, dann löchern die mich mit Fragen. Also ich weiß ja nicht, was du dazu sagst … « – »Ist doch klar, Ernesto. Warum die Sache unnötig verkomplizieren?« – »Schließlich war es ein Unfall.« – »Ernesto, wir zwei sind an dem Abend zu Hause geblieben, nach dem Essen haben wir uns einen Film im Fernsehen angesehen, ich suche noch was Passendes aus dem Programm, dann haben wir uns geliebt und anschließend sind wir eingeschlafen.« – »Danke, Inés.« – »Ich liebe dich, Ernesto.« – »Ich dich auch.«
    Er küsste mich auf den Mund, wie schon seit Jahren nicht mehr.
    Geradezu beruhigt verließ ich sein Büro. Ernesto ging wesentlich souveräner mit der Situation um, als ich erwartet hatte, das war klar.
    Auf dem Nachhauseweg hatte ich das sichere Gefühl, dass wir es an diesem Abend wie die Tiere treiben würden.

13
    Fotokopien, die im Haus der Familie Pereyra gefunden wurden. Die Vorlage konnte bislang nicht identifiziert werden. Die Kopien befanden sich im Kofferraum des gewöhnlich von Frau Pereyra benutzten Personenkraftwagens

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