Ganz oder gar nicht (German Edition)
öfter anrief, bekam mehr Information. So habe ich das damals gesehen. Übertrieben gesagt: Wenn Ruiner hundert Mal im Jahr fragte, bekam er hundert Antworten. Und wenn der Spiegel -Journalist ein Mal im Jahr fragte, bekam er ein Mal eine Antwort.
Ich habe das Geschäft der Journalisten über drei Jahrzehnte beobachtet und erlebt. Der Trend: Es wird leider immer schlimmer. Enger Kontakt zwischen Spielern und Journalisten besteht kaum mehr. Früher kannte und vertraute man sich. Man ging während einer Europameisterschaft einen trinken, und am nächsten Tag stand davon nichts in der Zeitung. Andere Spieler sind noch in ganz andere Etablissements mit Journalisten gegangen, und es stand nichts in der Zeitung. Ich denke, dass es heute einfach zu viele junge, ehrgeizige und unter Druck stehende Schreiber gibt, die selbst ihre Großmutter für die nächste Schlagzeile verkaufen würden. Deshalb halten die Spieler und Vereinsbosse mehr Distanz zu Journalisten. Früher fuhren Redakteure im Mannschaftsbus mit oder saßen beim Mannschaftsessen. Weil wir wussten: Wir können ihnen vertrauen. Es standen menschliche Komponenten im Vordergrund, man hatte Respekt. Heute wissen die Vereine, dass ich mir womöglich den Feind ins Boot hole, wenn ich einen Journalisten ins Innerste bitte.
Auch ich hatte mit Raimund Hinko eine sehr gute Verbindung. Er war einer der wenigen, die eher gar nichts geschrieben haben, bevor sie irgendetwas erfinden. Raimund war eine Seele, der wollte keinem etwas Böses. Er war fünf Jahre lang mein Kontaktmann bei SportBild , für die ich eine Kolumne schrieb. Jede Woche gab ich ihm telefonisch meine Einschätzung durch – für die ich anschließend oft kritisiert worden bin. Aber wenn Wolfsburg vierzig Spieler in zwei Jahren kauft, dann ist das für mich keine gute Personalpolitik. Das muss man ansprechen dürfen. Ich mache mir über den Fußball viele Gedanken, ich sehe die Problematik in Wolfsburg, in Köln, in Berlin. Ich erkenne es, wenn Inter Mailand es vor drei Jahren verpasst hat, den personellen Schnitt zu machen.
Dennoch beendete ich die Zusammenarbeit mit SportBild . Ich wollte all den Ballast, von dem man sagte, dass er einem Trainerjob in Deutschland im Wege steht, abwerfen. Meinen Kritikern wollte ich nicht mehr die Angriffsfläche einer immer ehrlichen Kolumne geben.
ABSTECHER LERCHENBERG
Zu den unzähligen Geschichten der schreibenden Presse kamen mit dem zunehmenden Wettbewerb der elektronischen Medien auch immer mehr Anfragen der TV-Sender. Die führten mitunter zu kuriosen Verwicklungen. Ist eigentlich bekannt, dass Johannes B. Kerner und Britta Becker nur deshalb ein Paar wurden, weil ich mich überreden ließ, ins »Aktuelle Sportstudio« zu gehen? Mein damaliger Berater Norbert Pflippen vertrat mit seiner Agentur auch diese unbekannte achtzehnjährige Hockeyspielerin. Eines Tages sagte Norbert zu mir: »Ich krieg die Britta am Wochenende nur ins ›Sportstudio‹, wenn du mitkommst.« »Sportstudio«? Schon wieder da raus ins Mainzer Outback? Ich muss wohl zwischen sieben- und zehnmal zum »Aktuellen Sportstudio« gereist sein. Es war ja auch etwas Besonderes damals. Nicht nur wegen der Torwand, in der ich, glaube ich, maximal drei Bälle versenkte. Es war die einzige Möglichkeit, sich als Sportler im deutschen Fernsehen zu präsentieren. In die »Sportschau« wurde man ja nur als Torschütze des Monats eingeladen. Heute gibt es an jeder Ecke Sportsendungen, die nur so um Gäste ringen.
»Hör zu, Norbert, ich will nicht ins ›Sportstudio‹, ich habe am Samstag etwas anderes vor«, sagte ich. Norbert hat mich eigentlich nie um etwas gebeten. In diesem Falle ließ er jedoch nicht locker. Er ging mir so sehr auf den Geist, weil es ihm wichtig war, dieses hübsche Mädel mit den langen Beinen zu präsentieren, um Sponsoren hellhörig werden zu lassen. Irgendwann habe ich mich breitschlagen lassen und bin mit Pflippen und Britta, der ich an dem Abend das erste Mal begegnete, zum ZDF auf den Mainzer Lerchenberg gereist. An diesem Abend wurde das »Sportstudio« von Johannes B. Kerner moderiert. So lernten die beiden sich kennen. Heute haben sie vier Kinder. Ohne Norbert und mich wäre es wohl nie dazu gekommen.
Bis heute limitiere ich derartige TV-Auftritte. Sie gehören nicht unbedingt zu meinen Lieblingshobbys. Mancher mag vielleicht glauben, ich würde bei den Sendern anrufen oder anrufen lassen, um endlich mal wieder eingeladen zu werden. Das Gegenteil ist der Fall.
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