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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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könne, wann immer ich wolle, wie ein ungenutzter Joker im Raum. Und ich hatte ein Angebot aus New York. Am Rande eines Länderspiels 1999 in Amerika – wir unterlagen den USA mit 0:3 – trat Bora Milutinovic an mich heran. Milutinovic! Ein Serbe, ein toller Typ, ein bunter Vogel, ein Weltenwanderer mit sehr viel Erfahrung, fünfmaliger WM-Teilnehmer mit fünf verschiedenen Nationalmannschaften, der schlimmer spricht als Trapattoni, nämlich fünf Sprachen durcheinander. Damals war er Coach der New York Metro Stars, und er scheute sich nicht, in die Kabine zu kommen, um mich zu fragen, ob ich nicht Lust hätte, für sein Team zu spielen. »Komm nach Amerika. Ich suche einen Leader«, raunte er mir zu. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, von mir aus in den USA anzuheuern. Aber bei Bora? Und hatte nicht Maren davon gesprochen, nach New York gehen zu wollen? Wären wir dort als Liebespaar nicht freier als in München? Da hat es klick gemacht. Mir wurde die Gelegenheit geboten, der deutschen Monotonie zu entfliehen, diesem Wieder-nach-Düsseldorf-zum-Auswärtsspiel-Fliegen, diesem Schon-wieder-das-gleiche-Filetsteak-Essen, diesem Schon-wieder-den-gleichen-Film-im-Hotel-Schauen. Es war alles gleich. Schluss damit! Dazu raus aus der heimischen Presse! Auf in ein neues Leben! Rein in die Major League Soccer!
    In der amerikanischen Liga verdienten bereits einige in die Jahre gekommene Männer wie Stoitschkov und Nowak (Chicago), Hernández (Los Angeles) oder Valderrama (Miami) ihr Geld. Auch meinen alten FC-Bayern-Kameraden Adolfo Valencia sollte ich wiedertreffen: in der eigenen Mannschaft. Voller Vorfreude unterschrieb ich also den Vertrag. Der Schock folgte bereits zwei Wochen später: Mein Freund Milutinovic wurde gefeuert. Ganz schlecht. Wäre er es nicht gewesen, der mich gefragt hätte, wäre ich wohl nicht nach New York gegangen. Aber was sollte ich tun. Ich hatte mich nun verpflichtet.
    Der Wechsel hätte in der Winterpause stattfinden sollen, Mitte Januar wäre man in Florida in die Saisonvorbereitung gegangen. Dann kam das letzte Champions-League-Spiel mit den Bayern gegen Eindhoven, das so einiges verändern sollte. Jens Jeremies holte sich eine Rote Karte ab, und Thomas Strunz verletzte sich. Zwei Spieler, die meine Position bekleideten, waren plötzlich nicht mehr einsetzbar. Dann war es – zugegeben – der Hinweis des Bild -Journalisten Ruiner, der mich auf die Idee brachte, noch ein paar Wochen bei den Bayern dranzuhängen. Die Saison in den USA würde ja erst im März beginnen. Ich rief Uli Hoeneß an und schlug ihm vor, zweieinhalb Monate länger zu bleiben, um wegen der angespannten Personallage die nächste Runde in der Champions League gegen Real Madrid mitzumachen. Wir einigten uns wenig später in einem Zweiminutengespräch in der Kabine im Olympiastadion und legten mal eben die Höhe der zweieinhalb Monatsgehälter fest. So schnell ging das immer beim FC Bayern.
    Ich blieb bis zum 10. März und machte noch einige Pflichtspiele mit. Der Plan, der meiner Verlängerung zugrunde lag, ging auf. In Madrid gewannen wir 4:2. Stefan Effenberg machte ein Riesenspiel. Zu Hause legten wir ein 4:1 drauf. Es konnte keinen besseren Showdown geben. Es war ein toller Abschied, es war auch ein wehmütiger Abschied. Denn zwölfeinhalb Jahre kann man nicht einfach so wegstecken. Mein Verhältnis zum FC Bayern und zu den Fans war immer mehr als eine Berufsbeziehung.
    Ottmar Hitzfeld schenkte mir zwei Minuten vor Schluss die Auswechslung. Unter dem Applaus des gesamten Publikums, der eigenen Mannschaft und von Real Madrid verließ ich mit Tränen in den Augen den Rasen. Ich erinnere mich, wie der große Roberto Carlos vierzig Meter auf mich zulief, mir die Hand reichte und viel Glück wünschte.
    In New York lief dann nicht alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das lag nicht etwa an der legendären Pressekonferenz und meiner unglücklichen Aussage: »I hope we have a little bit lucky«, sondern am veränderten sportlichen Umfeld. Aber ein paar Worte zu dieser Pressekonferenz, weil ich mir deswegen ja bis heute einigen Spott anhören muss. Klar habe ich in New York schlechtes Schulenglisch gesprochen. Aber nun muss man auch mal differenzieren. Wenn man sich privat in einer fremden Sprache unterhält, ist man weniger aufgeregt, ist man unverkrampfter, macht man weniger Fehler. Ich aber stand plötzlich auf einer Pressekonferenz am Times Square, war noch gar nicht richtig angekommen, im Kopf noch völlig im

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