Ganz oder gar nicht (German Edition)
Deutschen. Und dann verspricht man sich eben mal. Na und?
Es sind nicht die Menschen, nicht die Fußballfans, es sind einige Reporter und Kommentatoren, die mich über Jahre in ein Licht gestellt haben, in das ich nicht gehöre. Ich habe weder von einem Amerikaner noch einem Engländer gehört, dass er mein Englisch nicht verstehen könne. Nein, die machen mir sogar Komplimente. Ich hatte auf der ganzen Welt mit Englisch keine Probleme, nur in Deutschland. Ich hatte fast das Gefühl, im Englischen nachrüsten zu müssen, damit mich der Deutsche endlich besser versteht. Weil die Deutschen ja alle so gut Englisch sprechen. Ich kann mit der Häme leben. Denn ich weiß, wie ich mit meinem inzwischen flüssigen Englisch zurechtkomme, wie ich mit meinem Italienisch zurechtkomme. Und in Frankreich lacht man mich sogar an, wenn ich mich ein bisschen im Französischen probiere.
EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR SICH
Maren und ich hatten uns im 33. Stock des Trump International Tower am Columbus Circle eingemietet. Von unserem Wohnzimmer aus blickten wir auf alle Pilgerstätten, die ein Tourist auf dem Zettel hat. Der Central Park lag uns zu Füßen, wir schauten auf die 5th Avenue und den Broadway, wir sahen das Empire State Building, das Chrysler Building und das World Trade Center.
New York war ein Abenteuer. Am Anfang hat mich die Stadt erdrückt. Entgegen des amerikanischen Versprechens von Freiheit habe ich mich nicht frei gefühlt. Ich wollte wieder gehen. Ich bin ein sehr strukturierter Mensch, ein Mensch, der seinen Tag ordnet. Allein aufgrund des Verkehrs war das in New York kaum möglich. Es galt, kurze Wege zurückzulegen, die aber unheimlich lang dauerten. Entweder man war zu spät oder viel zu früh. Dazu kam diese merkwürdige Technik, irgendwo hat man immer den falschen Knopf gedrückt. Außerdem habe ich den amerikanischen Handwerker als unzuverlässig kennengelernt. Mehrfach wartete ich stundenlang in meiner Wohnung auf Möbelstücke, bis sie schließlich zwei Tage später eintrafen. Das kannte ich aus Deutschland nicht. Erst als wir komplett eingerichtet waren und uns ein wenig eingelebt hatten, begann ich New York fast lieb zu gewinnen. Ich nahm mit meinem Mercedes jeden Tag den Lincoln-Tunnel zum Training, lieferte mir Rennen mit den Taxifahrern um die nächste grüne Ampel, legte in der Zeit rund elfeinhalbtausend Meilen zurück. Einmal stand ich allerdings so lange im Stau, dass ich erst fünf Minuten vor Spielbeginn in die Mannschaftskabine stürzte und ohne Aufwärmen auflaufen musste. New York hatte stillgestanden, auch das gehörte dazu. Wir bekamen viel Besuch, sahen viele US-Städte, wir hatten wirklich eine sehr schöne Zeit, aber, zugegeben, sportlich hätte ich mir viel mehr erwartet.
Der Trainer als Bezugspunkt fehlte plötzlich. Und für den neuen Mann, der sich erst einmal beweisen musste, war ich nur noch einer von 25 Spielern. Dafür hatte mich New York aber nicht geholt. Der Verein hatte sich nicht nur auf dem Trainerposten verändert, auch im Management gab es großes Stühlerücken. Vorher hatte ich das Gefühl, dass mich die Leute mit offenen Armen und großem Herzen erwarteten, jetzt wurde alles viel kühler und distanzierter. Der neue Manager, Nick Sakiewicz, war einer, der nie lachte. Der Vorgänger, Charlie Stillitano, war ein Italiener, der wie ich das Dolce Vita liebte.
Seit Beckenbauers Aufenthalten dort Anfang der Achtziger konnte der Club keinen Meistertitel mehr erringen. Man hoffte, mit mir neuen sportlichen Erfolg zu entzünden und größere Aufmerksamkeit zu erhalten. Der sportliche Erfolg stellte sich auch ein. Wir wurden Meister der ostamerikanischen Liga und kamen über die Play-offs bis ins Halbfinale der US-Meisterschaft. Nur durch eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichters wurden wir um das Finale gebracht. In den Play-offs – auf Deutsch: K.-o.-Runde – spielten wir Best of Three. Das erste Spiel in Chicago ging verloren, das zweite zu Hause gewannen wir. Das dritte und entscheidende Spiel galt es nun in Chicago zu bestreiten. Wir lagen ganz schnell 2:0 zurück, konnten aber nach hartem Kampf ausgleichen. In der 88. Minute lief Adolfo Valencia in einen Rückpass eines Chicagoer Verteidigers, umspielte den Torwart, schob ein zum 3:2. Dachten wir. Der Linienrichter hob die Fahne: Abseits. Was für ein Blödsinn. Wie kann man abseits stehen, wenn der Ball vom Gegner kommt? Im Gegenzug erzielte dann Chicago das 3:2 und rettete sich so ins Finale. Nach dem
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