Ganz oder gar nicht
überstehen", hatte er gesagt. Aber wie hatte sie den Schmerz über Jamshids vermeintlichen Verrat überwunden? Najib hatte diesen Schmerz getilgt, aber würde sie nicht einen anderen dafür eintauschen?
Sie blätterte um und las weiter.
Najib war lebensgefährlich verletzt, aber noch am Leben. Er wurde von einer Bauernfamilie aufgenommen und gesund gepflegt, während der Krieg immer noch weiter wütete ... Eine Kopfverletzung verursachte einen vorübergehenden Gedächtnisverlust. Eines Tages kehrte sein Gedächtnis wieder, und er machte sich auf die Suche nach seiner Frau ... Das Paar will unter Najibs eigenem Namen noch einmal heiraten und damit den vor fünf Jahren geleisteten Treueschwur erneuern ...
Rosalind legte die Zeitschrift aus der Hand.
„Wie gefällt es dir?" fragte Gazi.
„Wird denn irgendjemand all diesen Unsinn glauben?" fragte sie schwach.
Die beiden Männer lachten, und Gazi erwiderte: „Rosalind, sie werden es glauben wollen, und damit ist die Schlacht schon halb gewonnen. Es ist eine gute Story, nicht wahr? Trauer, Freude, eine verlorene Liebe, ein böser Feind und schließlich ein Happy End."
Einen Moment lang schwiegen sie alle.
„Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Rosalind", sagte Najib schließlich. „Die Menschen vergessen leicht.
Denk daran, wir haben mit keinem Wort behauptet, ich hätte unter dem Namen Jamshid Bahrami gelebt. Aber mein Leben deckt sich ziemlich mit dieser Story. Selbst meine eigenen Freunde können nicht ganz sicher sein, ob ich nicht heimlich geheiratet habe, während ich in Europa war."
Rosalind blickte erneut auf eines der vielen Fotos. Es zeigte sie und Najib, der Sam auf dem Arm hielt.
Unglaublich, wie majestätisch Najib wirkte. Er sah eigentlich selbst wie ein Sultan aus.
Es sah aus wie das Bild einer königlichen Familie.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, in der Falle zu sitzen. „Bist du dir sicher, Najib, dass du nicht selbst auf den Thron willst? Vielleicht ist das Ganze in Wirklichkeit nur ein Versuch, dich zum Thronanwärter zu machen?"
Es beruhigte sie keineswegs, dass die beiden Männer einen viel sagenden Blick austauschten.
Najib setzte seine Kaffeetasse ab, nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. „Vertraust du denn niemandem?" sagte er mit tiefem Ernst. „Dass du mir nicht vertraust, kann man vielleicht noch verstehen, aber traust du Sir John zu, dass er sich an so etwas beteiligen würde?"
Langsam ebbte das Gefühl der Panik in ihr wieder ab. Es stimmte. Was für ein Motiv könnte ein Mann wie Sir John haben, um sie auf so gemeine Weise zu hintergehen?
„Ich habe absolut kein Interesse daran, mein persönliches Leben auf diese Weise zu opfern", erklärte Najib. „Glaub mir, es wäre mir zuwider, auf welchem Thron auch immer sitzen zu müs sen. Ob ich Ghasib gestürzt sehen will? Ja. Ob ic h so gut wie alles tun würde, um Ghasib davon abzuhalten, Samir als Mittel zum Zweck zu benutzen, um seine eigene Herrschaft zu festigen? Ohne Frage. Aber, willst du mir wirklich unterstellen, ich würde dich in eine gefährliche Situation bringen wollen, aus Eigennutz, um mit Hilfe deines Sohnes eigene politische Ambitionen verwirklichen zu können? Nein, Rosalind, das müsstest du doch besser wissen."
Er hielt ihren Blick fest, als wolle er ihr damit sagen, dass ein unsichtbares Band sie beide miteinander verbinde. Sie würde gern glauben, dass es wahr wäre.
Gazi nahm eine der Tageszeitungen zur Hand und las vor: „,Najib al Makhtoum stammt nur mütterlicherseits vom Königs haus ab und hat deshalb keinen Anspruch auf den Thron von Bagestan.
Es wird allgemein davon ausgegangen, dass Hafzuddin diesen Anspruch noch vor Prinz Wafiqs Tod einem von dessen Söhnen übertragen hat. Solange sich jedoch keiner der Erben offenbart, kann man nicht einmal sicher sein, ob sie noch am Leben sind'."
Immer noch unsicher, blickte Rosalind Najib an.
„Glaub mir", sagte er, „dass wir heiraten, hat nur einen Grund. Dein Sohn soll beschützt werden."
Sein Blick war ernst, seine Lippen waren grimmig aufeinander gepresst. Es war offensichtlich, Najib tat dies genauso ungern wie sie. Ein Gefühl des Bedauerns erfasste Rosalind. Es wäre ihr bedeutend lieber gewesen, er hätte es nicht so unange nehm gefunden, sie zu heiraten, auch wenn sie es nur taten, um Sam vor Ghasib zu beschützen.
9. KAPITEL
Die schroffen Felsen an der Küste von Ostbarakat waren von einer wilden, atemberaubenden Schönheit. Felsklippen ragten wie die Finger eines Riesen
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