Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Aber nach neuesten Erkenntnissen können diese Erbanlagen völlig wirkungslos bleiben – erst durch die Übersüßung werden sie aktiviert und lösen Krankheiten aus.
Der Zucker prägt auch das Gehirn, die Lernfähigkeit und die Intelligenz, das Verhalten – und weil vom Lernen sehr viel abhängt, in der Schule und auch später, hat das auch Auswirkungen auf den Beruf, die Karriere, natürlich das Einkommen. Der Zucker prägt auch die Gefühle, die Stimmung und damit auch Glück und Wohlbefinden.
Der Zucker wird zum Schicksal.
In der modernen Welt der Kinder von heute herrscht der Zucker-Overkill.
Ein deutsches Kind verzehrt pro Jahr mehr Süßes, als es wiegt: 50,9 Kilo Süßwaren insgesamt. Davon sind nur 0,4 Kilo purer Zucker und Süßstoffe. Aber 10,3 Kilo Kuchen, Kekse und Gebäck, 5,7 Kilo Eis, 3,6 Kilo Schokolade, Riegel und Pralinen, 3,3 Kilo Zuckerwaren wie Bonbons, Gummibärchen, Lollis, 3,2 Kilo süße Brotaufstriche wie Nutella. Und 23,3 Kilo süße Softdrinks. Das kam bei der »Donald«-Studie des Dortmunder Forschungsinstitutes für Kinderernährung heraus.
Weitgehend unbemerkt ist die Zuckerquote immer weiter gestiegen. Vor 30 Jahren naschten 74 Prozent der amerikanischen Kinder regelmäßig Süßgebäck oder Snacks, auch schon ziemlich viele. Jetzt aber sind es 98 Prozent. »Diese Befunde erregen Besorgnis, weil immer mehr Kinder gestörtes Ernährungsverhalten entwickeln, das zu Übergewicht führen kann«, sagt Barry Popkin, der diese Daten erhoben hat. Er ist Professor für »globale Ernährung« an der Universität des amerikanischen Bundesstaates North Carolina und hat das Konzept vom »Ernährungsübergang« entwickelt (»nutrition transition«), dem weltweit zu beobachtenden Übergang von der natürlichen Nahrung aus Kirschen, Kiwis, Kokosnüssen zu Cola, Keksen, Kinder-Schokolade.
Die Hersteller von solchen süßen Sachen begründen den Drang der kleinen Menschenkinder nach Süßem gemeinhin mit einem naturgegebenen Verlangen, schließlich sei schon die Muttermilch süß. Aber, Überraschung: Die Muttermilch ist gar nicht so süß. Zwar enthält auch sie verschiedene Zuckerarten, aber sie hat nur eine ganz leicht süßliche Note.
Auch später möchten die Kinder nicht unbedingt Süßes – wenn sie ohne den Druck des süßen Systems aufwachsen und selbst entscheiden können, was sie möchten. Das zeigte die kanadische Kinderärztin Clara Davis in ihren mittlerweile klassischen Untersuchungen. Sie ließ Kindern für ihre berühmte Studie, die 1928 im American Journal of Diseases of Children erschien, die freie Wahl zwischen 34 verschiedenen Lebensmitteln, darunter Äpfel, Bananen, Fisch, ja sogar Innereien und Knochenmark. Auch Getränke konnten sie sich aussuchen: Wasser, Orangensaft oder Milch. Alles völlig naturbelassen, ohne Geschmacksverstärker und auch nur so süß, wie die Natur es bietet.
Das erstaunliche Ergebnis, von weiteren Studien bestätigt: Die Kinder aßen nach ihren individuellen Bedürfnissen, auch mal vier Bananen nacheinander oder sieben Eier. Ein Dreijähriger verschlang am Abend ein Pfund Lammfleisch. Ein Kind mit wenig Magensäure aß vorzugsweise Saures, eines mit Rachitis nahm sogar freiwillig Lebertran – jedenfalls so lange, bis die Krankheit abklang.
Nur vom Süßen wollten sie nicht übermäßig viel.
Nach mehreren Jahren und 37 500 servierten Mahlzeiten zeigte sich, dass sich das Verlangen der Kinder relativ ausgewogen verteilte auf frisches Obst, Eier, Fett und Fleisch, die Lust auf das Süße im Angebot sich aber in Grenzen hielt. Das bedeutet: Es gibt von Natur aus kein angeborenes kindliches Verlangen nach Süßem und schon gar nicht nach Süßigkeiten. Es gibt ja in der Natur auch nichts Süßes, außer den Früchten. Es gibt keinen Schokoriegelbaum, keine wild lebenden Gummibärchen, selbst am Südpol keinen Kinder-Pingui.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse verkehrt. Das Süße ist jetzt der Normalzustand im Supermarkt. Vor allem beim Angebot für die Kinder. Ganz vorne dran ist natürlich der Konzern, der die »Kinder« bei seinen Produkten sogar im Namen führt: »Kinder«-Schokolade, »Kinder«-Pingui, »Kinder«-Milchschnitte.
Der Kinder-Konzern Ferrero war gleich mehrfacher Sieger beim Wettbewerb »Deutschland sucht die größte Zuckerbombe« der Verbraucherorganisation »Foodwatch«: Kinder-Produkte belegte die ersten vier Plätze der Top Ten. Sieger war Kinder Choco fresh, ein Schokoriegel in Nashornform, mit
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