Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
überschießenden Blutzuckeranstiege« suchen zu lassen, die »aus dem Konsum von Lebensmitteln mit rasch verfügbare Zuckern herrühren«. Auch hier geht es nicht darum, diese Lebensmittel einfach wegzulassen. Dafür gibt es keine Million. Es geht darum, eine »neue Generation« von Lebensmitteln zu entwickeln, »die durch spezielle Inhaltsstoffe die Zuckeraufnahme des Körpers aktiv regulieren«. Das klingt schon viel besser. Gesucht wird, hübsch kompliziert, ein »Wirkstoff, der die Aufnahme von Glukose (also Zucker) durch die in ihrer Molekülstruktur schon bekannten Glukosetransporter zu hemmen vermag«. Molekülstruktur, Glukosetransporter, das klingt schon mehr nach einer Million. Ein Wirkstoff also, damit die Leute weiter Zucker essen können, der Zucker aber nicht ins Blut gelangt. Wo sie danach suchen? Sie suchen »in Obst und Gemüse nach geeigneten Inhaltsstoffen«.
So ist es ein wunderbares System, in dem alle Seiten profitieren, außer vielleicht die Patienten.
Auch die Europäische Union fördert mit Millionen die Forschung über die Folgen des Zuckers. 11,7 Millionen Euro gab es zum Beispiel für ein Projekt, das nach neuen Genen fahnden sollte als Ziele »künftiger pharmakologischer Manipulation«. Für die Erforschung von Genen, die beim Sport anspringen, gab es sogar 12,7 Millionen. Für ein Projekt über »functional genomics«, ein wahnsinnig schickes Thema derzeit, bei dem es um die Auslösung von Gen-Aktivitäten geht, gab es acht Millionen. Für die »Umweltfaktoren« und ihre Interaktion mit den Genen: zehn Millionen.
Eigentlich gäbe es gar nichts zu forschen. Weil alles längst klar ist. So sah das jedenfalls schon der deutsche Zuckerkritiker Max Otto Bruker: »Man forscht auch heute noch nach den Ursachen des Diabetes, obwohl sie mit Sicherheit seit Jahrzehnten bekannt sind.«
Bruker hatte seine Vorbehalte gegen den Zucker seit Jahrzehnten vorgetragen und dabei in der deutschen Öffentlichkeit nicht sehr viel Unterstützung erfahren, was auch an seiner politischen Orientierung liegen mag: Er war in der Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der SA, und auch lange nach dem Krieg engagierte er sich noch für verschiedene rechtslastige bis rechtsextreme Organisationen, etwa die »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« oder politische Vereinigungen wie die NPD-Nebenorganisation »Bürgerinitiative Ausländerstopp«.
In Sachen Zucker indessen hat sich die Grundproblematik in neuerer Zeit kaum verändert: »Alle sprechen über die gleichen Sachen, seit 25 Jahren«, sagt auch der australische Diabetesforscher Paul Zimmet bei jener Konferenz der Europäischen Union in Brüssel, bei der es um die »Zeitbombe« geht, die zur globalen Bedrohung zu werden droht: Übergewicht und Diabetes. Zimmet hat das Wort von der »Coca-Kolonisierung der Welt« geprägt. Er trägt einen grauen Anzug mit feinen hellblauen Nadelstreifen, ein weißes Hemd, rosa Krawatte mit dunklen Punkten.
Kurze Frage nach seinem Vortrag: »Professor Zimmet, was hat es mit der ›Coca-Kolonisierung‹ auf sich, von der Sie immer sprechen?«
Zimmet: »Coca-Kolonisierung ist ein anderer Ausdruck für die ›Western Diet‹ …«,
»… die westliche Ernährungsweise, die auf einem speziellen, industriell produzierten Nahrungsangebot beruht: Softdrinks, Fertiggerichte, Snacks. Was manche Wissenschaftler als ›giftige Umgebung‹ bezeichnen, als ›toxic environment‹.«
Zimmet: »›Toxic environment‹, das ist ein anderer Ausdruck für das gleiche Phänomen. Da gehört alles zusammen bis hin zur Mobilität, weniger Bewegung, Fast Food: hohe Energie, wenig Nährwert bei vielen Kalorien. Das sind alles Aspekte dieses Phänomens, ob Sie das ›Coca-Kolonisierung‹, ›Western Diet‹ nennen oder ›giftige Umgebung‹.«
Die »Coca-Kolonisierung« hält sozusagen das ganze System in Schwung, von dem nicht nur Coca-Cola profitiert und Red Bull, sondern auch der medizinische Teil des Systems, die Pharmafirmen, und teilweise auch die Forschergemeinde, in gewisser Weise sogar der junge Dr. Weghuber in Salzburg mit seiner Studie für sechs Millionen Euro, an der er zusammen mit Kollegen aus Schweden, Luxemburg, England, Deutschland und der Schweiz arbeitet.
Nur die Kinder, die an ihrem Übergewicht leiden und die deswegen zu Weghuber in die Ambulanz kommen, für sie wäre es natürlich besser, wenn es das ganze süße System, die »giftige Umgebung«, nicht gäbe. Dann wäre es ganz
Weitere Kostenlose Bücher