Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
fördern – und das schon im Grundschulalter. Das ist natürlich nicht gleich die ganz schlimme Form der Alzheimerkrankheit wie bei den Älteren. Aber es ist eine messbare geistige Minderleistung, zuckerbedingt in jungen Jahren.
Studien haben gezeigt, dass Kinder, die viel Zucker aßen, bei Intelligenztests schlechter abschnitten, schlechtere Noten bekamen und launischer waren. Der amerikanische Psychologe Larry Christensen von der Universität South Alabama fand heraus, dass eine Ernährung mit hohem Zuckeranteil über einen längeren Zeitraum ständige Müdigkeit und Depressionen fordern kann. Die hohe Zuckerdosis kann auch das Lernvermögen beeinträchtigen, die Konzentrationsfähigkeit und spielt womöglich auch eine Rolle beim sogenannten Zappelphilipp-Syndrom ADHS, der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung.
Mittlerweile wird Kindern mit dieser Diagnose routinemäßig das Medikament Ritalin verabreicht. Die Verschreibungen sind weltweit explosionsartig angestiegen. Dabei ist es womöglich die Überdosis an Süßem, die zappelig macht. Der Verdacht kam eigentlich schon früh auf. Und jetzt wissen die Forscher immer mehr über die Funktionsabläufe im menschlichen Gehirn, und nun rückt auch wieder der Zucker ins Blickfeld.
»Ist es an der Zeit, die Rolle des Zuckerverzehrs neu zu bewerten?«, fragten Wissenschaftler der Universität Colorado im amerikanischen Denver. Denn der Zucker kann zu langfristigen Veränderungen im Gehirn führen: Die »exzessive Zuckeraufnahme« könnte Veränderungen bei der Übertragung des Botenstoffes Dopamin bewirken. Das ist jener Stoff, der bei der Suchtentstehung eine Rolle spielt, auch bei der Zitterlähmung Parkinson – und bei ADHS. Das Medikament Ritalin beeinflusst die Dopamin-Übertragung. Doch das Medikament ist umstritten wegen seines Suchteffekts, wegen seiner Wirkung auf die Psyche der Kinder, vor allem wegen seiner völlig ungeklärten Langzeitwirkungen.
Vielleicht wäre es heilsam, den Zucker in den Blick zu nehmen. Bei Cola-Trinkern wurde ein Zusammenhang schon festgestellt: So ergab eine Studie aus Oslo mit 5000 Jugendlichen von 15 bis 16 Jahren, dass jene Jugendlichen, die vier oder mehr Gläser am Tag trinken, überdurchschnittlich häufig hyperaktiv sind. Und sie sind aggressiv, sie greifen sogar häufiger zur Waffe. Eine Studie mit Schülern im amerikanischen Boston ergab: Jugendliche, die mehr als fünf süße Drinks pro Woche zu sich nahmen, zeigten deutlich auffälligere Gewaltbereitschaft als ihre Mitschüler und trugen häufiger Messer und Pistolen bei sich.
Natürlich ist es schwer, einen einzelnen Stoff als Verhaltensauslöser zu identifizieren. Möglicherweise spielen auch andere Inhaltsstoffe noch eine Rolle, das Koffein in der Cola etwa oder die Phosphorsäure. Die Softdrink-Lobby führt das Phänomen ohnehin nicht auf Cola, Fanta oder Red Bull zurück, sondern auf die Studienteilnehmer selbst, schließlich stammten sie »aus dem Bereich der Innenstadt von Boston, der für seine erhöhte Kriminalitätsrate bekannt« sei, so die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e. V. in einer Stellungnahme.
Dass Zucker kriminelles Verhalten begünstigt, zeigten allerdings auch andere Untersuchungen, etwa die des Soziologieprofessors Stephen J. Schoenthaler von der Universität South Mississippi, unternommen mit 68 inhaftierten männlichen Jugendlichen an der Haftanstalt Tidewater. Dabei sank die Quote der ständig verhaltensauffälligen Jugendlichen um 80 Prozent – durch zuckerreduzierte Kost.
Ähnliche Erfahrungen machte Diana Fishbein, Professorin für Kriminologie an der Universität Baltimore im amerikanischen Bundesstaat Maryland, bei ihrer Studie mit den 104 Insassen einer Besserungsanstalt im 10 000- Einwohner-Städtchen Lantana in Florida, eine Stunde nördlich von Miami. Die wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine erhielt die moderne US-Kost mit viel, die andere mit wenigen raffinierten Kohlenhydraten, ohne weißes Mehl, ohne Zucker. Das Ergebnis: Die zuckerlosen wurden friedlicher. Bei der Zuckergruppe gab es Gesetzesbrüche, Disziplinprobleme und Gewalttätigkeiten wie eh und je.
Professorin Fishbein führt die aggressionsfördernden Effekte des Zuckers auf die hormonellen Mechanismen im Gehirn zurück, das Zusammenspiel zwischen dem Zuckerhormon Insulin, dem »Glückshormon« Serotonin, Stresshormon Cortison. Diese hormonellen Mechanismen spielen offenbar auch eine Rolle bei der geistigen Leistungsfähigkeit –
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