Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Menschen Armut, Krankheit und Tod gebracht hat – und immer noch bringt. Die Geschichte des Zuckers ist auch eine Geschichte von Arm und Reich – bis zum heutigen Tag. Es ist die Geschichte der Konzentration von Naturkräften, der Transformation von roher Natur in reine Energie, in reines Geld. Und die Sklaverei war es, die die Karriere des Zuckers überhaupt erst ermöglicht hat. »Jahrhundertelang war der Zucker Symbol von Ausbeutung und Abhängigkeit«, notierte der Spiegel. »Es existiert eine unselige Verbindung zwischen globalem Kapitalismus und alltäglichem Zuckerkonsum«, schrieb die Neue Zürcher Zeitung. Und der französische Philosoph Claude Adrien Helvetius meinte schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts: »Keine Kiste mit Zucker kommt in Europa an, an der nicht Blut klebt.«
Für Andrea Stuart, die heute in Großbritannien lebt, war die Sklaverei sozusagen ein Teil der Familiengeschichte. »Meine Familie ist eine von Millionen rund um den Globus, die geformt wurde von Zucker und Sklaverei«, so beginnt ihr Buch mit dem Titel »Zucker im Blut« (»Sugar in the Blood. A Familiy’s Story of Slavery and Empire«). Als Motto stellt sie ein Zitat des amerikanischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers William Faulkner (1897 – 1962) voran: »Das Vergangene ist nicht tot. In Wahrheit ist es nicht einmal vergangen.«
Und sie trägt sogar beide Seiten in sich, die Seite der Herren und die Seite der Sklaven. Sie ist auf der Karibikinsel Barbados geboren, hatte aber immer den Verdacht, dass sie auch weiße Wurzeln hat. Sie studierte an der britischen Universität von East Anglia im britischen Norwich und an der Sorbonne in Paris, machte sich schließlich auf die Suche nach ihren Wurzeln – und landete mitten im Alltag der Sklavenplantagen, auf denen der Zucker für Europa produziert wurde, auf jenen Karibikinseln, die noch heute »westindisch« genannt werden, weil Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas, angenommen hatte, es handle sich um Indien.
Kolumbus hat bei seiner zweiten Reise im Jahr 1493 das Zuckerrohr nach Mittelamerika gebracht, von den Kanarischen Inseln, wo die neuzeitliche Sklavenhalterei sozusagen erprobt worden war. Das erste Zuckerrohr der Neuen Welt wuchs in der heutigen Dominikanischen Republik. Bald wurde die ganze Karibik zum Weltzentrum der Zuckerproduktion.
In jener Zeit begann die Familiengeschichte von Andrea Stuart. Ihr Urahn, der Brite George Ashby, kam in den späten 1630er Jahren auf der Insel Barbados an, die 500 Kilometer vor der Küste Venezuelas liegt. Er war Hufschmied, und er war dem Ruf des »weißen Goldes« gefolgt, wie viele Abenteurer seiner Zeit, und baute dort eine Zuckerplantage auf.
Es waren nicht nur die Spanier und die Briten, die damals in der Karibik Menschen versklavten und zur Zuckerproduktion zwangen, auch Holländer und Franzosen legten Plantagen an, ja sogar die Dänen – ihnen gehörten die heutigen Virgin Islands, St. Thomas, St. John und St. Croix.
Fast 300 Jahre lang dominierte dieser Wirtschaftszweig die Weltgeschichte, riesige Vermögen, ja ganze Reiche wurden auf den Gewinnen aus der Sklavenarbeit aufgebaut. Allein im Jahr 1805 gab es in der französisch kontrollierten Karibik und in Kuba zusammen 350 000 Sklaven, in der britischen Karibik weitere 715 000. Insgesamt wurden bis 1850 etwa zehn Millionen Afrikaner versklavt, damit die Europäer ihren Kaffee süßen und Konfekt genießen konnten. Der britische Historiker Noel Deerr schreibt: »Wenn wir sagen, dass 20 Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer gefallen sind, liegt darin keinerlei Übertreibung. Allein zwei Drittel dieser Opfer sind dem Zucker zuzuschreiben.« Andrea Stuart erforschte nicht nur den Stammbaum ihrer Familie, sondern auch die rüden, oft menschenverachtenden Umgangsformen auf den Plantagen.
Wenn ein Mensch auf den Zuckerinseln in die Sklaverei eintrat, wurde als Erstes seine bisherige Identität ausgelöscht, er bekam einen neuen Namen. »Quarshee« beispielsweise, »Sonntag« auf Akan, der afrikanischen Sprache ihrer Herkunftsländer, das bedeutete auch »faul« und »dumm«. Oder »Montag«, das bedeutete »betrunken«. Andere Sklavennamen erinnerten an die Namen fürs Vieh. Manche Zuckerpatrone verboten ihnen auch, Schuhe zu tragen oder Schmuck. Sie durften ihre Sprache nicht mehr sprechen, ihre religiösen Bräuche nicht mehr pflegen.
Die Plantagenbesitzer lebten nach einem Bericht des französischen Priesters Antoine Biet, der die Insel
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