Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
geändert hatten. Sein Vater wurde verhaftet. 1959 enteignete Fidel Castro die Zuckerbarone, die er »Parasiten und Blutsauger« nannte. In diesem Sommer floh die Familie Fanjul nach Amerika. Eines ihrer ehemaligen Wohnhäuser in Kuba ist heute ein Museum, das Nationalmuseum der Dekorativen Künste (»Museo Nacional de Artes Decorativas«). Es soll den Kubanern zeigen, wie damals die Upper Class lebte.
Aus der Ferne äußern die Fanjuls jetzt sogar ein gewisses Verständnis für die Umwidmung ihrer Immobilien auf der Insel. »Wir verstehen, dass Fidel Castro in einem unserer Häuser wohnt und dass das alte Polofeld hinter dem Haus jetzt als Hubschrauberlandelatz benutzt wird«, sagt Pepe. Einige der anderen Häuser der Fanjuls sind Gästehäuser für Diplomaten, in einem wohnt Fidel Castro.
Die Familie floh zunächst nach New York, wo sie glücklicherweise schon Apartments an der Upper East Side besaß. Erst Alfonso senior, dann kam die Familie nach. Später siedelten sie nach Palm Beach über. Der Empfang durch das Gastland war mehr als freundlich.
Amerikanische Soldaten vom Army Corps of Engineers hatten die Sümpfe trocken- und Drainagen gelegt. Die US-Regierung war sehr an einer eigenständigen Zuckerversorgung interessiert, sie verhängte ein Embargo gegen alle kubanischen Waren inklusive Zucker und förderte massiv die eigene Zuckerindustrie.
Und schon wieder kam der Vorwurf auf, die Fanjuls betrieben »moderne Sklaverei« auf ihren Plantagen um Belle Glade. Das 17 000-Einwohner-Städtchen liegt eine Autostunde westlich von Palm Beach, erreichbar über eine schnurgerade Straße, die durch bis zum Horizont reichende Zuckerrohrfelder führt, bis zum Lake Okeechobee, dem riesigen See, der umgeben ist von einem hohen Deich, überwölbt von blauem Himmel mit weißen Wölkchen. Ein starker Wind pfeift.
Weil Amerikaner die gefährliche Arbeit auf den Feldern nicht machen wollten, ließen die Fanjuls Ausländer schuften, vorwiegend aus Jamaika, einer der traditionsreichen Sklaveninseln, gefördert von der US-Regierung. Jeden November reisten 10 000 Saisonarbeiter ein und blieben bis März. Weil die Arbeit mit den Macheten so gefährlich war, verloren viele Finger oder ein Auge. Bezahlt wurden sie nach Menge, manche schlugen zehn Tonnen Zuckerrohr am Tag.
Leicht war es, sie wieder loszuwerden: »Code one« lautete die Chiffre, wenn einer nicht schnell genug arbeitete – »Arbeitsverweigerung«. Und er wurde zurückgeschickt. Die Arbeiter konnten sich nicht wehren: Sie lebten in Lagern auf dem Feld und hatten keinen Rechtsschutz.
Sie hätten nichts anderes getan, als preisgünstige Arbeitskräfte von den »Westindischen« Inseln auf ihren Plantagen einzusetzen, rechtfertigten sich die Fanjuls. »Ich bin überzeugt, wir haben nichts Falsches gemacht«, sagte Alfy Fanjul zu der Vanity Fair -Reporterin. »Mein Gewissen ist rein. Wir glaubten, für die West-Indians war es der beste Job, den sie kriegen konnten. Er macht sie zur Mittelschicht in ihrem Land.« Die Vanity Fair -Reporterin fand seine Aussage »authentisch« und glaubwürdig.
Damals, in den 1990er Jahren, war das ein Fall für das Gewissen des Zuckerbarons. Heute ist die Welt zusammengewachsen, der Zuckermarkt ist längst globalisiert, und nun kommt immer häufiger Zucker aus moralisch zweifelhaften Quellen nach Europa. Der Zucker nimmt auch hierzulande einen bitteren Beigeschmack an, etwa wenn bei der Herstellung Kinder schuften müssen, irgendwo auf der Welt. In 16 Ländern gibt es Kinderarbeit in der Zuckerproduktion, so ein US-Regierungsreport (U. S. Department of Labor’s List of Goods Produced by Child Labor or Forced Labor), der auch über die Arbeitsbedingungen, die schweren Lasten für die Kinder, Arbeit mit gefährlichen Werkzeugen, Kontakt mit Pestiziden berichtet.
Auch der Name Coca-Cola kommt in dem amtlichen Report vor. Auf den Philippinen, so der US-Regierungsbericht aus dem Jahr 2012, hat die Firma zusammen mit Vertretern der Zuckerindustrie eine Vereinbarung unterzeichnet, in der die Absicht bekundet wird, »zusammenzuarbeiten, um die Kinderarbeit zu reduzieren«. In El Salvador, so hatte die Stiftung Human Rights Watch in einem umfangreichen Bericht schon 2004 festgestellt, seien Kindersklaven auf Plantagen tätig, die unter anderem den Zucker für Coca-Cola produzieren. »Kinderarbeit grassiert geradezu epidemieartig in den Zuckerrohrplantagen von El Salvador«, kritisierte Michael Bochenek, Berater der Kinderrechtsabteilung von
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