Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Schmerzen zu verschlimmern.«
Und alles für den Zucker. Der Gegensatz kann kaum größer sein zwischen dem süßen Geschmack, der damals die Welt eroberte, und den Methoden, die bei seiner Erzeugung praktiziert wurden. Und es ist durchaus nicht so, dass in damaligen Zeiten einfach sehr rustikale Umgangsformen geherrscht hätten. Es war die Zeit, in der in Europa der Prozess der Zivilisation begann. Ausgerechnet in jener Zeit wurde dort die Epoche der Aufklärung ausgerufen, sogar die »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« verkündet, von der die Zuckerinseln allerdings ausgenommen blieben. Die Französische Revolution proklamierte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – allerdings nicht für alle.
Vor allem nicht für die Frauen unter den Sklaven. Die Herren wussten das zu nutzen. Zum Beispiel jener Robert Cooper Ashby, der in der Ahnenreihe von Andrea Stuart einen besonderen Platz einnimmt. Er war mit der Britin Mary Burke verheiratet, hatte aber gleichwohl andere Beziehungen als Ausdruck seines Rechts, jede beliebige Frau auf seinem Anwesen zu nehmen. Robert Cooper hatte beispielsweise eine Beziehung mit Sukey Ann, einem Sklavenmädchen, das 14 Jahre alt war 1809, als die Beziehung begann. Mit ihr hatte er vier Kinder: Sarah Jane, John Richard, Thomas Edmund und Thomas Stephen. Zehn Kinder hatte er mit der Mulattin Mary Anne. Sie war die Leibsklavin seiner Frau, die 1826 starb. Von da an konnte Robert Cooper mit Mary Ann und den Kindern offiziell zusammenleben. Irgendwann hörte sie dann auch auf, ihn »Massa« zu nennen, und ging zu »Robert« über. Von welcher seiner schwarzen Frauen Andrea Stuart abstammt, ließ sich im Detail nicht mehr klären.
Auch in Kuba war die Sklaverei noch alltägliche Praxis, als der Ahnherr der Familie Fanjul, Andre Gomez Mena, als Teenager aus Spanien auf die Insel kam, in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts.
Eine seiner Töchter heiratete Alfonso Fanjul senior, einen reichen Zucker-Broker. Dann ging es aufwärts. In Kuba gehörten sie bald zu den größten Landbesitzern. Die Dynastie der Fanjuls auf Kuba lebte unter komfortablen Bedingungen und praktisch durchgehend auf der Gewinnerseite. Und als Alfy Fanjul und sein Bruder Pepe gut hundert Jahre später dort ihre Kindheit verbrachten, war alles schon vorbereitet für ein süßes Leben.
Das Haus, in dem sie aufwuchsen, glich einem Schloss. In der verzuckerten Oberschicht gab es schon damals Home-Movies, sie zeigten, laut Vanity Fair, wie Alfy und Pepe als junge Zuckerprinzen lebten, am Swimmingpool herumhingen, in ihrem Strandhaus in Varadero an der Nordküste auf der Halbinsel Hicacos, 120 Kilometer von Havanna entfernt. Sie schmissen dort, nach Berichten der örtlichen Society-Chronisten, Partys für den Herzog und die Herzogin von Windsor. Auch Al Capone, der legendäre Gangsterboss, hatte dort eine Villa. Zum Schluss besaß die Familie Fanjul auf Kuba über 60 000 Hektar Land, zehn Zuckermühlen und drei Destillerien.
Der Zucker nahm auf Kuba immer breiteren Raum ein. 1946 war mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Insel mit Zucker bebaut – und das fruchtbare Kuba musste 30 Prozent seiner Lebensmittel importieren. Der Reichtum konzentrierte sich immer stärker bei wenigen Familien. Und die 500 000 Zuckerarbeiter lebten unter erbärmlichsten Bedingungen. Die Abschaffung der Sklaverei im Jahrhundert zuvor hatte für sie kaum Verbesserungen des Lebens gebracht. Von den Reichtümern, die sie erwirtschafteten, fielen nur Krümel für sie ab, selbst in legendären Boomjahren: »Die Macheteros auf den Zuckerrohrfeldern«, notierte der Spiegel, nahmen zum Beispiel an dem »Tanz der Millionen«, wie man später die »goldene Ernte« von 1920 nannte, »nicht teil«. Sie erhielten einen Tageslohn zwischen 25 und 60 Cent und mussten froh sein, dass sie überhaupt einen Job bekamen in der Vier-Monats-Saison. Auf den Zuckerplantagen herrschte weiterhin »praktisch Sklaverei«, sagte Ernesto Che Guevara (1928–1967), der Kampfgefährte von Kubas Commandante Fidel Castro, der damals die Revolution vorbereitete.
An Silvester 1958, als die Brüder Fanjul das Feuerwerk im Havanna Yacht Club genossen, machte schon das Gerücht die Runde, dass General Fulgenico Batista, der kubanische Diktator, geflohen war. Kurz darauf knallten Castros Kämpfer ihre Maschinengewehre auf den Konferenztisch im Familienhauptquartier in der Avenida de Gomez-Mena, und Alfy, damals 21, wusste, dass sich die Zeiten
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