Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Human Rights Watch. 30 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren schuften nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) auf den Plantagen von El Salvador.
Coca-Cola sei nur indirekt verantwortlich gewesen – über einen Sublieferanten, wie die Firma beteuerte, als der Skandal bekannt wurde: Die »Coca-Cola-Company unterstützt nicht, ermuntert oder befürwortet irgendwie eine Form der Kinderarbeit in unserem Produktionsprozess«, beteuerte das Unternehmen. Doch das süße System ist grenzenlos, und jetzt sind alle betroffen. »Wenn eine Firma Zucker aus diesem Land kauft, sollte sie sich über diese Tatsache im Klaren sein und auch Mitverantwortung für die Lösung dieses Problems übernehmen«, sagt Bochenek.
Und plötzlich ist sogar die deutsche Zuckerbranche in die Praktiken im fernen El Salvador involviert. Denn auch Europas Branchenführer Südzucker ist in Südamerika aktiv, ebenfalls über eine Tochterfirma, die mit Zucker handelt. Die exportierte allein in einem Zeitraum von Juli 2007 bis Juni 2012, ausweislich von Dokumenten, 230 Schiffsladungen Zucker aus El Salvador. Am 30. Mai 2012 ging beispielsweise eine Schiffsladung mit 501 Tonnen weißen Zuckers vom Hafen Acajutla nach Los Angeles. Absender war die Firma Compania Azucarera Salvadorena S.A., eine Zuckerfirma, die große Zuckermühlen betreibt und eigentlich Kinderarbeit in ihrem Bereich verbietet. Allerdings lagen der Organisation Human Rights Watch Zeugenaussagen vor, nach denen bei Zulieferern auf Plantagen, die in die Zuckermühlen der Compania Azucarera Salvadorena liefern, Kinder beschäftigt seien. Etwa von Ignacio S., einem 14-Jährigen, der angab, er selbst habe auf einer solchen Plantage gearbeitet, die in eine der Zuckerfabriken geliefert habe, der Central Izalco, der größten im Land.
Die globalen Lieferströme sind unübersichtlich. Dem Zucker ist nicht anzusehen, wo er herkommt. Ob er aus der Rübe oder aus dem Rohr gewonnen wurde. Zucker ist Zucker, weiß und immer gleich im Geschmack. Wenn am Zucker Blut klebt, dann klebt plötzlich überall Blut. So sind jetzt alle unter Verdacht. Nicht nur Coca-Cola. Auch Ferrero mit seiner Milchschnitte, mit der Kinder-Überraschung, auch die Schokolade von Milka und das Eis von Langnese (Slogan: »So schmeckt Glück«). So haben sie sich jetzt zusammengeschlossen, die Big Player in der globalisierten Welt des Zuckers, in einer Vereinigung namens »Bonsucro«, weil sie um das Image ihrer Produkte fürchten, darunter die Softdrink-Giganten Coca-Cola und Pepsi-Cola, auch Ferrero, der US-Multi Kraft (Milka, Toblerone), der Multikonzern Unilever (Langnese), der Rumhersteller Bacardi, auch jene Tochterfirma von Südzucker namens ED&F Man und Fanjuls europäische Tochter, der britische Traditionskonzern Tate & Lyle.
»Die Situation ist besorgniserregend«, räumt die Vereinigung »Ethical Sugar« (»Ethischer Zucker«), die Mitglied bei »Bonsucro« ist, in einem Bericht ein, der die Situation nicht beschönigt. Es ist eine nüchterne Bestandsaufnahme mit einem unerfreulichen Fazit: »Kinderarbeit im Zuckerrohrsektor ist immer noch eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit« wegen »zahlreicher Gefahren, gesundheitsschädlicher Arbeitsbedingungen, fehlender Schutzmaßnahmen und schlechter Lebensbedingungen«. Zudem gebe es »negative Implikationen für Gesundheit und Ausbildung« der minderjährigen Arbeitskräfte.
Wie etwa in Bolivien. In einem Fernsehbericht der britischen BBC über Kinderarbeit auf den Zuckerrohrfeldern dort sagt Ciro, 13: »Ich wache um vier Uhr morgens auf und muss raus zum Arbeiten bis sechs Uhr abends, manchmal bis elf in der Nacht. Die Arbeit ist wirklich sehr, sehr schwer.« An Lernen oder eine Ausbildung kann er gar nicht denken: »Ich würde lieber in die Schule gehen oder etwas Besseres arbeiten, etwas Leichteres. Aber ich muss für fast meine ganze Familie arbeiten, meine Familie ist wirklich arm, sie haben nichts, und ich muss meinen sechs kleinen Brüdern helfen.«
Kinderarbeit gibt es auch in Guatemala. In Brasilien. Und in der Dominikanischen Republik, wo die Familie Fanjul ebenfalls engagiert ist. »Dominikanische Zuckersklaverei« nennen es die Kritiker. Die Insel ist ja bei Deutschen sehr beliebt wegen ihrer günstigen All-Inclusive-Angebote. Wenn die deutschen Urlauber dort ankommen, landen sie schon im Reich der Fanjuls: Der Flughafen La Romana gehört ihnen, auch ein Luxusferienresort namens Casa de Campo Resort, zu buchen über
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