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Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
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in welchem Zustand es war und ob ich die Renovierung überhaupt schultern konnte? Und Marie mitzuschleppen in einen Ort ohne Kino und Theater, ohne Supermarkt und U-Bahn? Sie stattdessen aber mit maroden Sanitäranlagen und einem Keller zu belasten, der problemlos die Kulisse für einen Horrorfilm abgeben konnte.
    Hättest du den Mumm gehabt, diesen Stefan einfach vor die Tür zu setzen, wärst du nie auf die Idee gekommen, in die Walachei zu ziehen , meckerte eine Quengelstimme in meinem Kopf, die mir in den letzten Tagen das Leben schwer gemacht hatte. Anscheinend trat sie jetzt gerade die Frühschicht an. Aber nicht mit mir!
    Ich hätte sowieso etwas geändert , wies ich sie in die Schranken. Die Erbschaft hat den Lauf der Dinge nur in eine bestimmte Richtung gelenkt. Also, Schnauze halten!
    Marie stand inzwischen vor einem langen Regal, das bis oben hin mit Weckgläsern bestückt war, und studierte die Etiketten. «Stachelbeere 1979», las sie vor. «Kirsche 1981. Die sind älter als ich!» Begeistert hielt sie mir ein Glas unter die Nase. «Weißt du was? Das stellen wir als Jahrgangsobst bei eBay rein. Wenn die Leute dafür genauso viel zahlen wie für alten Wein, wissen wir bald gar nicht mehr wohin mit dem Geld!» Sie schnappte sich Crowley, der vor lauter Staub und Spinnweben schon ganz grau aussah, und wirbelte ausgelassen mit ihm im Kreis herum. «Und für dich kaufen wir dann einen Luxus-Katzenkorb mit Kuschelkissen und vielen –»
    «Hallo? Jemand zu Hause?!» Eine tiefe Männerstimme unterbrach Maries Versprechungen.
    «Der Umzugswagen!» Ich sprintete zur Treppe und stieg so schnell wie möglich auf den vorhandenen Stufen nach oben. «Ich komme schon!»

    «Na, da sind Se aber jottwedee jezogen, wa?», begrüßte mich ein grinsender Zweimetermann. «Die Einjeborenen hier haben noch nie ’nen jelben Umzuchswagen jesehn.»
    Ich ging mit ihm zur Haustür und betrachtete die Traube von Leuten, die sich um den LKW gebildet hatte.
    Zwei Männer in roten Latzhosen kamen mit beladenen Sackkarren auf mich zu. «Wo kommt dit allet hin?»
    «Das meiste erst mal in den Saal», sagte ich, ging ihm voraus und schob schnell die Schiebetür auf. «Die Kisten mit dem großen X können gleich in den ersten Stock!»
    Während die Männer unser Hab und Gut ausluden, stellte ich mich zu Marie neben die Tür. «Schau mal, da drüben sind die netten Frauen, die ich in der Bäckerei kennengelernt habe.» Ich winkte ihnen fröhlich zu, als sie zu uns herschauten. «Die mit dem blonden Haar heißt, glaube ich, Claudia, und die Mollige ist Rosi.»
    Doch anstatt zurückzuwinken, wendeten die beiden sich ab und tuschelten mit zwei anderen Frauen.
    «Na ja, Begeisterung sieht aber anders aus», murmelte Marie. «Bist du sicher, dass du da niemanden verwechselst?»
    «Ganz sicher!» Es mochte hier und da Verschleißerscheinungen geben, aber an sich war mein Gedächtnis noch ziemlich gut in Schuss.

    Nachdem alles ausgeladen war und ich eine schmerzhaft hohe Rechnung beglichen hatte, begleitete ich die Männer zum Wagen und verabschiedete mich.
    «Wenn Se mal Heimweh nach der Berliner Luft haben, rufen Se durch. Dann schicken wa Ihnen ’ne Tüte voll zu, wa?»
    Sie stiegen ein, hupten noch einmal laut und fuhren los. Mit einem leichten Anflug von Wehmut winkte ich ihnen hinterher.
    Als ich ins Haus zurückgehen wollte, bemerkte ich, dass die Frauen immer noch auf der anderen Straßenseite standen. Es waren ganz sicher die vier, die auch beim Bäcker gewesen waren. Ich überlegte kurz, ob ich sie hereinbitten sollte, doch bei dem Gedanken an das Chaos im Haus sah ich von der Idee lieber ab. Daher hob ich lediglich die Hand zum Gruß und rief: «Die erste Etappe ist geschafft, aber jetzt geht die Arbeit erst richtig los!»
    Diesmal drehten sie sich nicht weg, sondern starrten mich – die Arme vor der Brust verschränkt – unverhohlen feindlich an.
    Was hatten die bloß? Heute Morgen waren sie mir doch noch wie ganz normale, nette Frauen erschienen. Ich ließ die bisherigen Wiestal-Stunden im Schnelldurchlauf vorbeiziehen, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich in dieser kurzen Zeit falsch gemacht haben könnte. Okay, ich hatte dieses Dubbi-dubba-Dings verpasst, aber daraus konnten sie mir nun wirklich keinen Strick drehen.
    Der Wind frischte auf, und die Sonne verschwand hinter dicken, schwarzen Wolken. Das Schnepfen-Quartett harrte unbeweglich aus, als wollten sie einen Glotz-Wettbewerb gewinnen. Sollten sie,

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