Garantiert wechselhaft
«Vechedarier.»
«Haben Sie auch vegetarische Kinder oder Enkelkinder?»
Frau Hopf überlegte. «A baar werr’n scho dabei sein.»
Hallo?
«Sind es so viele, dass Sie … äh, den Überblick verloren haben?»
«Ich hab mir, ehrlich g’sagt, nie die Müh g’macht, durchzuzählen.» Die alte Frau grinste. «Aber auf dausend komm ich logger.» Ich muss sehr dumm dreingeschaut haben, denn sie lachte laut heraus. «Brauchst kaa Angst hamm, ich bin ned wahnsinnig. Bloß Lehrerin.»
«Dann haben Sie wahrscheinlich halb Wiestal Lesen und Schreiben beigebracht, hm?»
«Sagen mer’s amol so: Ich hab mein Bestes gedaan. Aber des hat bei manch eim weiß Godd ned gereicht.»
Eine halbe Stunde später sah die Welt schon ganz anders aus: Während ich mir den Umzugsdreck abspülte, hatte Marie der Nachbarin von unserem zweiten Hauptproblem erzählt und konnte jetzt ihr Glück kaum fassen: Frau Hopf hatte einen richtig guten Computer – mit Internetanschluss, versteht sich –, den wir gern mitbenutzen durften, bis bei uns alles eingerichtet war.
«Aber bloß under einer Bedingung», sagte sie, als wir vor dampfenden Tellern um den Tisch saßen. «Dass es sich etzt erst amol ausgehopft hat. Ich bin die Gundi, und mir sinn per du.»
Darauf hoben wir unsere Gläser.
«Ich habe auch gleich mal ’ne Frage an dich», sagte ich zwischen zwei Bissen. «Was, um Himmels willen, ist ein hartes D? Und gibt es auch weiche?»
Gundi kicherte und kaute. «Des ist Fränggisch», sagte sie dann. «Bei uns wird a T als D g’sprochen, und mer spricht dann von einem harddn D. Und wenn des D ein echtes D ist, ist es ein weiches.»
Aha. D = D oder T.
«Und was versteht man unter einem Dubba … Dings? Soll hier gestern angeblich irgendwo stattgefunden haben.»
«A Dubberbahdie?»
«Ja! Genau!»
«Damit ist a TuPPerParTy g’meint.» Gundi sprach die Ts und Ps, als wolle sie mich damit erstechen. «Mir Franggn hamm nämlich auch Brobleme mit Ps und Bs und Ks und Gs. Mal sindse weich, mal hart.»
Das konnte ja heiter werden.
Aber Gundi hielt sich erst gar nicht lange mit der Theorie auf, sondern ging gleich zum Übungsteil weiter.
«Nimm des einfache Wort Treppe», sagte sie. «Des T ist in diesem Fall ein hartes D. Auf Fränggisch: ein haddes D. Dann folgen noch zwei harte B, zwa hadde B. Sprich Ps.» Sie sah uns verschmitzt an. «Und wo mir schon amol dabei sind: Des stimmlose E am Ende verschlucken mir auch und nuscheln a M oder N. Eigentlich ganz einfach.»
Ich nickte tapfer.
«Außerdem gibt’s noch des Wort fei. Des haaßt so viel wie aber und wird als Füllwort verwendet. Zum Beispiel: Bass fei uff, dassde ned von der Drebbn fällst!»
«Schon passiert», murmelte ich.
«Von der Gellerdrebbn», ergänzte Marie.
«Naa, bei Keller spricht man des K normal: also Kellerdrebbn!» Gundi strahlte Marie an. «Aber du hast schon kabiert, wie’s geht.» Doch dann kombinierte sie meine Bemerkung mit der von Marie und sah uns mit großen Augen an. «Sach bloß, anner von eich is beim Hubbert von der Kellerdrebbn g’sterzt?»
Ich nickte. «Ist fei gerade noch mal gutgegangen.»
Gundi griff sich ans Herz. «Jesses. Seids bloß vorsichdig, die Drebbn hat’s fei in sich!»
Auch das gute Essen und die Wärme hatten es in sich. Während Gundi und Marie sich gemeinsam durch die Homepage von Maries neuer Schule klickten, hing ich wohlig erschöpft auf Gundis weicher Couch und hörte ihnen mit einem halben Ohr zu.
Die beiden schienen sich gesucht und gefunden zu haben. Marie demonstrierte mit Hilfe von zwei Löffeln ihr Können am Schlagzeug und erzählte, dass sie am liebsten in einer Band spielen würde.
«Ich denk, da lässt sich was machen», sagte unsere Nachbarin und fuhr sich nachdenklich durch das kurze Haar.
«Aber fei keine Volksmusik-Kabelle, gell!»
«Naa, sunst sterzt de dich am End noch freiwillig von der Kellerdrebbn.»
Sie wieherten um die Wette.
«Jetzt schau ich aber erst mal, wie es mit meiner Probezeit wird.»
«Beim Schlochzeich broben?»
Marie schüttelte nun ernst den Kopf. «Nein, ab Montag in der Schule. Wenn es mir hier aber gar nicht gefällt, darf ich am Ende des Schuljahres wieder nach Berlin zurück.»
Gundi zuckte gelassen die Schultern. «Da mach ich mir etzt fei gar kanne Sorgen.»
Ich drückte mir das weiche Kissen unter dem Kopf zurecht und beschloss, es ihr gleichzutun. Sollten die Probleme doch kommen. Dann würde ich mich um sie kümmern. Aber keine Sekunde früher.
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