Garantiert wechselhaft
übersetzte Bärbel mir die Zahlen.
«Man kann den Stoff aber doch nachbestellen, oder?»
«Hoff mer’s», sagte Rosi kleinlaut. «Des war damals bloß a Rest.»
«Ja, hoff mer’s», sagte ich streng. Mit diesem Problem konnten sie jetzt zur Abwechslung mal alleine klarkommen. Mir half schließlich auch keiner.
Außer Gustl natürlich, der glücklich strahlend in der Einfahrt herumlungerte. Oh nein! Die Liebesgötter konnten mir wirklich den Buckel runterrutschen.
«Na, Gustl, wie immer fleißig gewesen?»
Mein Nachbar nickte. «No freilich! Und selber?»
«Alles bestens», sagte ich und legte eine Einkaufstasche ins Auto. «Jetzt muss ich aber los. Ich brauche Rohrfrei.»
Einfühlsam stellte er sich so hin, dass an Wegfahren nicht zu denken war. «Habt’s ihr a gudes G’schäft g’macht?»
«Ganz wunderbar», behauptete ich. «Aber ohne dein Bild hätte es bestimmt nur halb so gut geklappt.»
Damit stieg ich ins Auto, ließ den Motor so aufheulen, dass Gustl erschrocken zur Seite sprang, und fuhr davon. Das war gemein, aber ich hatte nur noch einen Wunsch: weg hier. Gegen das Chaos im Haus kam mir jeder Supermarkt wie ein Ort höchster Ruhe und Glückseligkeit vor.
Um diesen Umstand möglichst lange auszukosten, ließ ich mir Zeit und kaufte ein, als wäre alles im Sonderangebot. Zur Feier des Wiedersehens hatte ich für mich Prosecco kalt gestellt, und ich freute mich auf Maries Gesicht, wenn ich ihr den Kasten Mate-Limonade präsentieren würde, den ich für sie aus Berlin mitgebracht hatte.
Ich stand am Herd, als sie zur Küchentür hereinschlich.
«Hase, was ist denn mit dir los?» Ich ließ den Kochlöffel in der Tomatensoße stecken und ging erschrocken auf sie zu. «Ist was passiert?»
Die Blässe, die Maries Gesicht überzog, war nicht geschminkt, die hatte andere Ursachen.
«Hab nur schlecht geschlafen», brummte sie und setzte sich an den gedeckten Tisch.
Ich setzte mich neben sie. «Hast du Sorgen? Normalerweise schläfst du doch wie ein Bär!»
Sie grinste, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht.
«War Claudia wieder unfreundlich zu dir?»
Genervtes Kopfschütteln. «Nei-hein, es ist echt nichts. Ich gehe heute einfach früher ins Bett, und gut ist’s.» Ihr Blick fiel auf den Getränkekasten. «Sag bloß, du hast den eigens aus Berlin hergekarrt.»
«Ja! Freust du dich?»
Marie drückte mich. «Ganz doll», sagte sie. «Aber die Brauerei von dem Zeug ist hier praktisch um die Ecke.»
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Einundzwanzig
Die Vorhersage für Freitag, den 11. Juli:
Nach heftigen Turbulenzen zieht eine Kaltfront heran. Vereinzelt Tränen.
An diesem Morgen war nicht nur der Himmel bewölkt. Meine Stimmung war es auch, und ich hätte mir, nachdem ich eine müde Marie verabschiedet hatte, am liebsten die Decke wieder über den Kopf gezogen. Doch das Pflichtgefühl besiegte meinen inneren Schweinehund mit einem klaren eins zu null, und ich setzte mich gähnend an den Schreibtisch.
Gestern Nacht hatte ich noch das Layout einer ganzen Broschüre mit Sprachkursangeboten fertiggestellt und wäre danach sicher sofort ins Bett gegangen, wäre mir nicht Jeanettes Visitenkarte in die Hände gefallen. Ideen muss man halt haben. Und den Mut, sie dann auch umzusetzen, hatte sie gesagt …
Im nächsten Moment hatte ich die Mappe mit meinen Wickelmodellen aus der Schublade geholt und gezeichnet. Lauter Teile, für die Herr Graus wahrscheinlich höchstens einen verächtlichen Blick übrig gehabt hätte, aber genau das Richtige für Frauen, die in den Wechseljahren steckten und sich trotzdem wohlfühlen wollten.
Inspiriert von Jeanettes Wickelpullover und meinen eigenen Entwürfen, hatte ich mich an Kleider und Röcke gewagt. Und am Ende Hosen gezeichnet, die schmal anlagen, aber elastisch waren und genug Platz für den Bauch ließen.
Drei Uhr war es gewesen, als ich endlich im Bett gelegen hatte.
Ich nahm einen großen Schluck Kaffee, schickte der Sprachschule die fertige Broschüre und wollte gerade den nächsten Auftrag in Angriff nehmen, als es an meiner Tür klopfte. Gleich darauf standen vier kleinlaute Schnepfen vor meinem Schreibtisch.
«Mir hamm fei überall nach dem Stoff g’sucht, Nina, aber vielleicht kannst du auch noch mal schauen. Du kennst dich ja besser im Indernedd aus als mir», sagte Bärbel. «Bidde!»
Ich wünschte Herrn Kraus die Pest an den Hals und gab die Stoffbezeichnung seiner heißgeliebten «Fräggla» bei Google ein. Es folgten eine Menge
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