Garantiert wechselhaft
gefälligst mal um sie.»
«Wird gemacht», sagte ich zahm, obwohl mir ganz andere Dinge auf der Zunge lagen. «Dir noch einen schönen Tag!»
Tschakka! Jetzt konnte ich meine Aktion starten!
Jeanette hatte ihr Atelier im Neuköllner Reuterkiez, und ich kam auf dem Weg zu ihr an zig Galerien, Klamottenläden und hippen Kneipen vorbei.
«Ja, hier gibt’s jede Menge Inspiration», bestätigte Jeanette, nachdem sie mich herzlich begrüßt hatte. «Den großen Metropolen kann Berlin in Sachen Mode zwar noch nicht das Wasser reichen, aber wir holen auf.»
«Und Wiestal segelt im Kielwasser ganz dicht hinterher», sagte ich grinsend.
Im Hinterzimmer, zwischen Näh- und Kettelmaschinen, Schubladenschränken und einem Regal, in dem sich die Stoffballen bis zur Decke stapelten, klappte ich den Laptop auf und zeigte Jeanette meine Entwürfe. Sie nickte anerkennend, bis ich die Mail mit Volkers Fotos öffnete.
«Komisch», sagte sie. «Auf den Zeichnungen haben die Teile einen Charme, den ich in der Umsetzung irgendwie nicht wiederfinde.»
«Danke, so sehe ich das auch», sagte ich. «Besonders bei den Farben hat der werte Herr Art-Director wieder mal komplett ins Klo gegriffen. Jedenfalls möchte ich diese Kollektion noch einmal ganz anders aufziehen, und dafür brauche ich deinen Rat. Und, wenn du magst, deine genialen Strickteile als Ergänzung.»
Den Rest des Tages tüftelten wir am Farbkonzept, den Schnitten und der Stoffauswahl. Mittags gönnten wir uns eine lange Pause in einem Café namens Hippie Hippie Bake Shake. Die anderen Gäste waren durchweg zwanzig bis dreißig Jahre jünger als ich. Sie lungerten cool in durchgesessenen Polstermöbeln herum und hantierten mit ihren Smartphones und iPads. Wenn sie doch einmal miteinander sprachen, hörte man Englisch, Französisch, Spanisch, Schwedisch – nur die Weltsprache Fränkisch war nicht dabei. Und plötzlich merkte ich, dass ich sie vermisste.
Am frühen Abend verabschiedete ich mich von Jeanette. «Ich sag dir Bescheid, wenn ich so weit bin», sagte ich und packte eine Tasche mit Musterteilen auf den Gepäckträger. «Drück mir die Daumen, dass alles glatt geht.»
Punkt halb neun stand ich in der Agentur auf der Matte. Elke öffnete die Tür. «Willkommen bei LindnerVision», sagte sie. «Der Firma Ihres Vertrauens, wo die Trends von morgen schon heute geklaut werden.»
Ich kicherte nervös. «Hat es eigentlich mit dem Stoff für die Röcke geklappt?»
«Was meinst du?», fragte Elke. «Dass ich ihn heute endlich in der Abstellkammer gefunden habe? Oder dass ich ihn gleich per Kurier nach Wiestal habe bringen lassen?»
«Eigentlich kann ich das alles immer noch nicht fassen», sagte ich. «Stell dir mal vor, was passiert wäre, wenn ich nicht angerufen hätte, um zu fragen, wie weit die Heimarbeiterinnen sind.»
«Tja. Mir hat er von der ganzen Geschichte ja wohlweislich nichts erzählt», sagte Elke nachdenklich. «Das ging alles über Mandys Tisch, und die hatte keine Ahnung, woher die Sachen kamen. Als die Musterteile fertig und fotografiert waren, glaubte Volker anscheinend, er hat dich im Sack. Sonst wüsstest du bis heute nichts davon.»
«Dafür kriege ich ihn jetzt dran», brummte ich. «Und ich werde es genießen.»
Elke ging voran in die heiligen Hallen und grinste der jungen Frau mit der Riesenbrille entgegen, die schon auf uns wartete. «Mandy habe ich inzwischen eingeweiht, sie ist ganz auf deiner Seite.»
«Ü-belst», sagte Mandy zur Begrüßung, und ich wusste nicht genau, ob sie übelst auf meiner Seite war oder Volkers Geschäftsgebaren meinte.
«Da hast du auf jeden Fall recht.» Ich schüttelte ihr die Hand. «Alles gut bei dir?»
«Na klar! Ich hab ein paar Sachen für dich vorbereitet», sagte sie kaugummikauend, zeigte auf eine lange Liste, die auf ihrem Bildschirm zu sehen war, und grinste. «Da sind ein paar richtig dicke Fische dabei. Wenn du es richtig aufziehst, wird das ein Spaziergang.»
«Na, dann wollen wir mal in die Puschen kommen!»
Dank dieser Vorarbeit war schon eine halbe Stunde später alles in trockenen Tüchern, und wir hauten das Geld, das Marie von Volker für die Zugfahrt bekommen hatte, gemeinsam mit Mandy und den Kindern in einer Pizzeria auf den Kopf.
Als der Kellner die Getränke gebracht hatte, spürte ich, wie die riesige Anspannung von mir abfiel. Ich begann hysterisch zu kichern.
«Du lieber Himmel, wir haben es geschafft!» Ich trank einen großen Schluck von meiner Apfelsaftschorle.
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