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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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sogleich frei in die Luft entfliegen. Die Taube griff alsbald aus und flog mit unglaublicher Schnelligkeit dahin, so daß sie in noch nicht zwei Stunden den langen Weg durch die Luft zurücklegte, zu dem die Schwalbe mit Rudern und Segeln und steifem Wind drei Tag und drei Nächte gebraucht hatte. Wie nun der biedre Gargantua hörte, daß sie das weiße Bändlein trage, ward er fröhlich und getrost ob seines Sohnes Wohlergehen.
    Als der Gosal aufgeflogen war, las Pantagruel seines Vaters Gargantua Schreiben, dessen Inhalt dieser war:
    Vielgeliebter Sohn!
    Die Neigung, die ein Vater von Natur zu seinem teuern Sohn hegt, ist bei mir so hoch gestiegen, in Anbetracht und Wertschätzung der Dir nach Gottes freier Wahl verliehenen besondern Gnaden, daß sie seit Deinem Abschied mich mehr denn einmal aller andern Gedanken beraubt und mir im Herzen einige bange Furcht hinterlassen hat, es möcht' Dir etwa bei Deiner Einschiffung ein Unstern oder Trübsal begegnet sein – wie Du denn weißt, daß treuer und aufrichtiger Liebe Gefährtin allzeit die Furcht ist. Und weil nach Hesiods Ausspruch eines jeden Dinges Anfang schon die Hälfte des Ganzen ist und das Brot, wie man zu sagen pflegt, darnach gerät, wie man's in den Ofen schiebt, hab' ich sofort, um mein Gemüt von solchen Sorgen zu befreien, den Malicorn expreß gesandt, daß ich durch ihn von Deinem Befinden während der ersten Tage Deiner Reise unterrichtet würde. Denn wenn sie glücklich und nach meinen Wünschen verlief, werd' ich das Weitre dann leicht voraussehen können. Der Friede des Höchsten sei mit Dir. Grüße Panurg, Bruder Jahn, Epistemon, Xenomanes, Gymnasten und Deine andern Treuen, meine guten lieben Freunde. In Deinem väterlichen Haus, am 13. Juni.
    Dein
    Vater und Freund
Gargantua

Viertes Kapitel
Wie Pantagruel seinem Vater Gargantua antwortet und ihm allerhand schöne und rare Sachen schickt
    Nach Lesung des Briefs besprach Pantagruel mit dem Marschall Malicorn allerlei und blieb mit ihm so lang zusammen, bis Panurg ihm in die Rede fiel und frug: »Und wann trinket Ihr? Wann trinken wir? Wann trinkt der Herr Marschall? Habt Ihr noch nicht genug gesprochen für den Durst?« – »Wohl gesprochen!« antwortete Pantagruel; »laßt hier im Wirtshaus nebenan, zum Reitenden Satyr, den Imbiß rüsten.« – Unterdessen setzte er sich und schrieb dem Boten die Depesche an Gargantua wie folgt:
    Grundgütiger Vater!
    Wie bei jedem unverhofften, unvorgesehenen Ereignis in diesem flüchtigen Erdenleben unsre Sinne gewaltsamer und lähmender erschüttert werden, als wenn man sie zuvorbedacht und erwartet hat, so hat mich auch die unvermutete Erscheinung Eures Marschalls Malicorn höchlich erschüttert und bestürzt, da ich weder einen Eurer Diener zu sehen noch von Euch Nachricht vor Beendigung unsrer Reise zu hören vermeinte.
    Weil Ihr aber durch die Wohltat Eures gnädigen Schreibens mir nun zuvorgekommen seid, tut es mir jetzt not, was ich seither freiwillig tat, nämlich den höchsten Erhalter zu preisen, daß er Euch durch seine göttliche Güte so lang bei so vollkommnem Wohlsein erhalten hat, und dann Euch nun und immerdar zu danken für diese Eure heiße und herzinnige Liebe zu mir, Euerm treuergebenen Sohn und unnützen Diener.
    Im übrigen heg' ich das Vertrauen in den Beistand unsers Herren, daß das Ende von unsrer Fahrt dem guten Anfang entsprechen und alles fröhlich und gesund vollbracht werden wird. Ich werde auch nicht ermangeln, den ganzen Verlauf der Reise in Tagebücher einzutragen, damit Ihr einst den treulichen Bericht davon bei unsrer Heimkunft lesen könnt.
    Ich hab' hier einen Scythischen Taranden gefunden, ein fremdes Tier und darum wunderbar, weil es die Farbe des Felles und des Haares verändert, je nachdem ihm etwas Farbiges nahe kommt. Laßt Euch denselben wohlgefallen. Er ist so handlich und leicht zu füttern als ein Lamm. Ich send' Euch desgleichen drei junge Einhörner, kirrer und zahmer als kleine Kätzlein. Ich hab' schon mit dem Boten gesprochen und ihm die Art und Weise gezeigt, wie man sie halten muß. Sie weiden nicht von der Erde, ihr langes Horn an der Stirn verhindert sie, darum ist es nötig, daß sie von Obstbäumen oder aus Raufen fressen, oder auch aus der Hand, Getreide, Kraut, Äpfel, Birnen, Gersten, Dinkel, kurz alle Arten Früchte und Gemüse. Mich wundert's, wieso unsre alten Autoren sie für so wild, unbändig und gefährlich ausschrein konnten. Ihr werdet leicht an ihnen das Gegenteil ausproben und

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