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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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Gott sei Lob für alles. Die Welt ist, seh ich wohl, ein feiner Fant geworden, seit ich sie jung gekannt hab. Sind wir soweit? Fürwahr, hinfort wird man den Leuen leichter bei der Mähne, das Roß beim Haar, den Stier beim Horn, den Büffel bei der Schnauz, den Wolf beim Schwanz, die Geiß beim Bart, den Vogel bei den Beinen greifen, als einen solchen Philosophen bei seinen Worten und Redensarten. Gott sei mit euch, ihr guten Freunde!« – Mit diesen Worten begab er sich aus der Gesellschaft weg. Es wollten Pantagruel und die andern ihm folgen, aber er ließ es nicht zu.
    Nachdem Gargantua aus dem Saal war, sprach Pantagruel zu den Gästen: »Mir fehlt der Plato unsrer Ratgeber. Wo ist denn Gänszaum, unser Freund?« – Darauf erwiderte Epistemon, Gänszaum sei eben nach Schwatzenbach geladen worden, um daselbst persönlich zu erscheinen und vor den Ratsherrn Rechenschaft von einem Urteil abzulegen, das er gefällt hatte. – »Ich muß doch hören«, sprach Pantagruel, »was dies ist. Seit länger denn vierzig Jahren ist er nun Richter in Fonsbeton. Die Zeit her hat er mehr als 4000 Urteile erlassen: 2309 der von ihm gefällten Urteile sind von den leidtragenden Parteien bei dem Oberhofgericht angefochten, aber all durch Spruch desselben approbiert und bestätiget und die Berufungen umgestoßen und für nichtig erklärt worden; daß man ihn jetzt auf seine alten Tag persönlich vorlädt, ihn, der die ganze Zeit so heilig in seinem Beruf gelebt hat, kann nicht mit rechten Dingen zugehn. Ich will ihm mit aller meiner Macht nach Billigkeit beistehn; ich weiß wohl, die Bosheit der Welt ist heutzutag so mächtig, daß das beste Recht des Beistands bedarf. Ich will alsbald dazutun, daß man uns nicht zuvorkomm.«

Neunundzwanzigstes Kapitel
Wie Pantagruel Panurg beredet, sein Heil bei einem Narren zu versuchen, und zwar bei Triboullet
    Nach Tisch, auf dem Weg in sein Gemach, sah Pantagruel Panurg, der sich ganz dämlich wie im Traum gebärdete und mit dem Kopfe wackelte, und sprach zu ihm: »Ihr kommt mir vor wie eine Maus im Pech: je mehr sie sich herausarbeiten will, desto tiefer rutscht sie in das Mus. Hört an. Ich hab' wohl öfters schon sagen hören, ein Narr könnt' einen Weisen lehren. Weil Euch nun der Weisen Bescheid nicht zufriedenstellt, beratet Euch doch mit einem Narren. Ihr wißt wohl, wie viele Fürsten, Könige und Staaten schon durch Narrenratschlag, -eingebung und -prophezeiung erhalten, wie viele Schlachten gewonnen, wie viele Zweifel erledigt worden sind. Laßt Euch nur ein Beispiel von Narrenweisheit erzählen, und zwar vom Vater Jean, dem berühmten Narren von Paris. Der Fall ist dieser:
    Zu Paris, in der Garküch zum kleinen Schlössel, verzehrte ein Packträger am Herd des Garkochs sein Brot beim Bratenrauch und fand es, so durchräuchert, gar lecker. Der Garkoch ließ ihn gewähren. Zuletzt, als er sein Brot nun aufgegessen, erwischte der Koch den Packträger beim Kragen und verlangte die Zahlung für seinen Rauch. Der Packträger meinte, er hätt' ihm keinen Schaden getan an seinem Fleisch, ihm von dem Seinen nichts entwendet und sei ihm also auch nichts schuldig.
    Der Rauch, den er bezahlt haben wolle, flög' auf und ging verloren so oder so; nie hätt' man noch in Paris erhört, daß Bratenrauch wär bezahlt worden. Der Koch entgegnete, er hätt's nicht nötig, die Packträger mit seinem Rauch zu füttern, und schwur, wenn er's ihm nicht bezahle, nehme er ihm seinen Tragriemen. Der Packträger zog seinen Knüppel und setzte sich zur Wehr.
    Der Zank wurde hitzig, das Pariser Maulaffenvolk drängte sich von allen Enden zu dem Streit herbei, und auch Vater Jean, der Narr und Bürger von Paris, kam wie gerufen mit dazu. Wie den der Koch sah, frug er den Packträger: ›Willst du diesen edeln Meister, den Vater Jean, unsern Zwist schlichten lassen?‹ – ›Beim Antlitz Gottes‹, sprach der Packträger, ›das will ich.‹ – Als Jean nun den Handel vernommen, befahl er dem Packträger, aus seinem Gurt ein Stück Geld zu langen. Der Packträger gab ihm einen Silbergroschen. Jean nahm ihn, legte ihn sich auf die linke Schulter, als wollt' er probieren, ob er das Gewicht habe, drauf klingelte er mit ihm in der rechten Hand, als wollt' er sehen, ob er die richtige Währung hätte; drauf hielt er ihn dicht an sein rechtes Aug, ob er auch wohl geprägt sei. All diesem schaute das Maulaffenvolk in tiefstem Schweigen, der Koch mit fester Zuversicht, der Packträger voll Verzweiflung zu. Zuletzt

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