Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
Zoo in Saint Paul. Als ich in den Zwillingsstädten gelebt hatte, war ich dort besonders gern gewesen. Egal, welche Temperaturen draußen herrschten, im Treibhaus waren es immer schwüle sechsundzwanzig Grad.
Wasser tropfte von den Palmwedeln, die Glasdecke war beschlagen. Es roch nach feuchter Erde und wachsenden Grünpflanzen. Ich stopfte etwas von dem Kleid unter meine Beine und hob den Schleier, um Mátyás anzusehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du in meine Träume eindringen kannst, wenn du selbst nicht schläfst.“
„Bewusstlosigkeit funktioniert auch.“
Ich nickte, doch erst ein paar Sekunden später wurde mir bewusst, was er da gesagt hatte. Ich stand auf und ging um den Bronzebrunnen herum, der eine Frau darstellte, die aus einer Amphore Wasser ausschüttete. „Bewusstlos! Im Sinne von k. o. geschlagen! O mein Gott, geht es dir gut? Ist mit Sebastian alles in Ordnung?“
Vor Sorge wäre ich fast aufgewacht, aber Mátyás legte die Hände auf meine Schulter und drückte mich sanft zurück auf die Parkbank.
Ich merkte, wie ich in tieferen Schlaf versank. „Ich habe dich gar nicht aufstehen sehen“, sagte ich zu ihm. „Wie hast du ...?“
„Traumlogik. Ist schon cool. Wenn du erst mal den Bogen raus hast, kannst du fast alles machen.“
„Geht es dir gut?“, fragte ich abermals. „Ich meine, wo bist du überhaupt? Liegst du irgendwo in einem Graben? Wirst du nicht erfrieren?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete er. „Wir sind der magischen Spur meiner Mutter über ein Kornfeld gefolgt.“
Plötzlich veränderte sich die Szene, und wir standen auf dem verschneiten Feld vor Sebastians Haus. Die Stiele der abgemähten Maisstängel ragten in Reih und Glied aus der
Schneedecke heraus. Das Schneetreiben behinderte die Sicht, doch Sebastian rannte mit übermenschlicher Geschwindigkeit davon.
Irgendwie konnten wir fast mit ihm mithalten. In der Wirklichkeit war ich noch nie so schnell gelaufen. Die geschmeidigen Bewegungen meiner Muskeln hatten etwas Belebendes an sich, als ich athletisch über das Feld rannte.
„Fühlt es sich so an, wenn du läufst?“, fragte ich Mátyás.
„Nur im Traum“, antwortete er und lächelte ironisch. „Im wahren Leben ist das viel anstrengender, dann habe ich Seitenstechen, und ich schwitze. Ich kann fast mit seinem Tempo
mithalten, aber es kostet mich viel Mühe.“
Ich war ein wenig enttäuscht, weil sich mit jedem seiner Worte bei mir das gleiche Gefühl einstellte. Das Laufen fiel mir immer schwerer, und als wir endlich die Stelle erreichten, an der Teréza und Sebastian beisammenstanden, waren wir völlig abgekämpft.
Teréza war wütend, ihre Fangzähne waren zum Vorschein gekommen, und in ihren Augen blitzte kaum gebändigter Zorn auf. Während wir langsam wieder zu Kräften kamen, hörten wir
sie trotz des starken Windes brüllen: „Du hast mich verraten.“
Das klang gar nicht gut.
„Ich weiß nicht, was ihr mit ihr in der Scheune gemacht habt“, sagte Mátyás zu mir. „Auf jeden Fall hat es sie nicht gefreut. Sie glaubt, dass Papa schuld war. Und dass er zu feige war, sich ihr allein zu stellen, weshalb er seinen Schießhund vorausgeschickt hat.“
„Ich glaube, mich zu erinnern“, erwiderte ich und beobachtete, wie sich Terézas Lippen lautlos bewegten, während Mátyás seine Zusammenfassung der Geschehnisse schilderte, „dass sie den Begriff 'Miststück' verwendet hat.“
„Ob du’s glaubst oder nicht, aber ich wollte nur nett sein“, sagte er.
„Das ist wirklich schwer vorstellbar“, gab ich zurück. „Jetzt weiß ich ganz sicher, dass ich träume.“
„Ha, ha, ha.“
„Was geschah als Nächstes?“, fragte ich.
„Sie fingen an zu kämpfen“, erklärte Mátyás im gleichen Moment, als Teréza Sebastian einen Stoß versetzte. Ich sah ihm an, dass er versuchte, ihr nicht wehzutun, aber Teréza kannte keine Zurückhaltung. Sie biss ihm in den Arm wie ein Hai, der zum tödlichen Angriff überging. Blut floss ... und dann wurde alles schwarz.
„Warte“, sagte ich, während ich in einer Finsternis stand, die nicht von dieser Erde war. „Du hast da was ausgelassen. Was ist passiert? Bist du ohnmächtig geworden?“
„Das könnte sein“, erwiderte Mátyás. „Aber es ist ja nicht so, als hätte ich noch nie gesehen, wie ein Vampir jemanden beißt. Ich glaube ... ich bin mir nicht sicher, doch ich meine, dass sich etwas Explosives ereignete, als Mutter Papa biss. Etwas, das keiner von ihnen erwartet
Weitere Kostenlose Bücher