Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
noch nicht gekämmt, weshalb meine Haare auf einer Seite immer noch so platt gedrückt waren, dass man die Form des Kissens erkennen konnte. Am Hinterkopf stand mein Haar in unbändigen Stacheln in alle Richtungen ab, und mit dem „Pflegeprodukt“, das ich vor ein paar Tagen aufgetragen hatte, war etwas wirklich Schlimmes geschehen. Zudem hatte ich im Schlaf meine Wimperntusche, die bereits während meines Aufenthalts im Schnee verlaufen war, noch weiter verschmiert.
Das Entscheidendere aber war, dass das Kleid einfach nicht zu mir passte. Okay, es glitzerte schön, wenn ich die Hüften hin und her bewegte, und bei jeder Bewegung raschelte es
zufriedenstellend. Es besaß einen gewissen Retro-Chic, aber es war so voller Spitze und Perlen und so schwer und steif. Ich kam mir in etwa so vor, als hätte man mich in eine Zwangsjacke für Prinzessinnen gesteckt, und dieses Gefühl wollte ich nun wirklich nicht haben, wenn ich vor den Traualtar trat. Die ganze Zeremonie erinnerte mich auch so schon zu sehr an einen bindenden Zauber, da wollte ich mich nicht auch noch in ein Kleid zwängen, das all die Dinge repräsentierte, die ich an altmodischen Ehen als so schrecklich einengend empfand. Ich wollte nicht wie June, die Braut des TV-Serien-Spießers Ward Cleaver, aussehen. Natürlich kam ich mir beim Anblick meiner Frisur im Moment eher wie Frankensteins Braut vor.
„Und?“, fragte meine Mutter nervös, nachdem sie sich lange Zeit jede Äußerung verkniffen hatte. „Ich meine, mit deinen Haaren werden wir ja sicher noch irgendwas anstellen, nicht wahr? Aber zur Not kannst du auch immer noch einen Schleier tragen. So wie ich damals.“
„Schleier sind nicht mehr allzu sehr in Mode, Mom“, erwiderte ich.
„Oh, ich weiß. Schließlich war es meine Generation, die den ganzen Aufstand losgetreten hat, damit das Wort 'Gehorsam' aus dem Ehegelübde verschwindet. Und wir haben uns auch gegen alles gewehrt, was uns Frauen das Gefühl gab, wie das Eigentum eines Mannes behandelt zu werden, aber ... also, schön ist so ein Schleier schon, Liebes, und er würde viele Sünden verdecken.“
Netter Versuch, Mom. „Ich werde keinen Schleier tragen.“
„Wir haben immer noch Zeit genug, dir eine hübsche Tiara zu besorgen. Ich finde wirklich, dass du etwas brauchst, was das Ganze zusammenhält, weißt du? Vielleicht etwas mit Perlen, das zum Hochzeitskleid passt.“
„Ich werde dieses Kleid nicht tragen“, erklärte ich, ehe ich wusste, wie mir geschah. Meine Mutter riss den Mund auf, als hätte ich ihr einen Fausthieb in die Magengrube verpasst. „Ich wollte sagen, es ist ... es ist wirklich schön, aber ... aber ..."
Mom kniff die Lippen zusammen. „Ich verstehe“, presste sie dann heraus. „Es ist zu altmodisch. Ich würde sagen, du brauchst etwas anderes.“
„Ich bin froh, dass du das verstehst“, erwiderte ich, obwohl ich wusste, es war gar nicht der Fall.
Nach der „Diskussion“ über das Hochzeitskleid wechselten meine Mutter und ich beim Brunch kaum ein Wort. Dad hatte irgendein fantastisches Auflaufdings gezaubert, und dazu gab es die knusprigsten Kartoffelpuffer, die ich seit Jahren gegessen hatte. Während des Essens stieß ich immer wieder begeisterte Laute aus, doch Mom schwieg beharrlich. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, ein harmloses Gesprächsthema zu finden, gab ich es schließlich auf und ging nach oben, um ein Nickerchen zu machen.
Aus dem Schlaf gerissen wurde ich irgendwann von Pete Seeger, der in der Carnegie Hall We Shall Overcome sang. Es war ein Album, dass ich als Kind bestimmt tausend Mal gehört hatte, und einen Moment lang kam es mir so vor, als wäre ich wieder in Finlayson, Minnesota, auf der Farm meiner Eltern. Ein Blick zur Uhr verriet mir, dass ich ohnehin aufstehen musste, da bald Zeit fürs Abendessen war. Na toll, ich hatte die Nachmittagsschicht im Geschäft verschlafen! Ich konnte nur hoffen, dass William Slow Bob erreicht hatte.
Zerknirscht schob ich meine Füße über die Bettkante und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich hatte tief und fest geschlafen. Da war eine blasse Erinnerung an einen Traum, in dem sich zwei Göttinnen stritten, wer von ihnen mehr Kontrolle über mich hatte, während ich von einer Schneelawine verschüttet worden war. Tja, dachte ich mit einem leisen Schnauben. Wenigstens hatte ich keinen Psychologen nötig, der gegen Geld mein Unterbewusstsein interpretierte.
Nachdem ich in meine flauschigen rosa Pantoffeln geschlüpft war,
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