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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Wolfhundwitterung und Ziegengestank, weg von der Dunkelheit des Waldes und den Stimmen der Menschen, weiter und weiter, durch harschen Schnee, der in seine Fesseln biss. Irgendwie hatte Mopple zum Schloss zurückgefunden, um das Schloss herum, bis zu der Ecke, hinter der jemand lauerte.
    »Wir gehen jetzt zurück«, sagte Othello. »Sofort.«
    Aber bevor sie in Richtung Hoftor aufbrechen konnten, hörten sie Schritte - und Stimmen.
    Mopple und Othello postierten sich wieder hinter der Ecke, diesmal beide auf der gleichen Seite.
    »... und wie schade, dass Ihre Mama nicht kommen kann«, sagte der Häher.
    »Oh«, sagte Rebecca, »sie geht sehr früh schlafen. Da kann man nichts machen. Sie schläft wie ein Stein.«
    »Ich werde ihr einen guten Wein herüberschicken«, sagte der Schlossbesitzer.
    »Oh nein!«, sagte Rebecca schnell. »Ich ... ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Wein ist...«
    »... ein Problem?«, fragte der Schlossbesitzer.
    »Nicht gut für ihre Gesundheit«, sagte Rebecca bestimmt.
    »Machen Sie sich denn gar keine Sorgen?«, fragte sie dann.
    »Um Ihre Mama?«, fragte der Schlossbesitzer mit schmunzelnder Stimme.
    »Um die Sache mit dem Reh!«, sagte Rebecca. »Unnatürlich!«
    »Ach, wissen Sie, wir haben sowieso zu viele Rehe«, sagte der Häher. »Und unnatürlich ist es streng genommen auch nicht.«
    »Nicht?«, fragte Rebecca. »Warum?«
    »Nun, die ersten Lebewesen waren Einzeller. Einzeller altern nicht - sie teilen sich, wieder und wieder. Einzeller sind unsterblich.« Der Häher legte eine dramatische Pause ein. Die Sache machte ihm ganz offensichtlich Spaß. »Aber natürlich sterben auch Einzeller - wenn sie von anderen Einzellern gefressen werden. Die Evolution frisst ihre Kinder. Der erste Tod war ein gewaltsamer Tod - der gewaltsame Tod ist der natürlichste Tod überhaupt.«
    Rebecca sagte nichts, aber Othello und Mopple, die ihre Schäferin gut kannten, konnten hören, wie sie »toll!« dachte.
    »Aber natürlich arbeite ich mit der Polizei zusammen, damit diese Geschichte schnell aufgeklärt wird«, versicherte der Häher. Etwas in der Art, wie er »Polizei« sagte, machte Othello neugierig. Vorsichtig äugte er um die Ecke.
    Rebecca und der Häher waren im Licht einer Laterne stehen geblieben. Rebecca lächelte. Ihre Lippen waren sehr rot. Der Häher hatte Othello den Rücken zugedreht. Er stand zu nah an Rebecca.Viel zu nah für Othellos Geschmack.
    »Er lügt!«, sagte Mopple.
    Othello nickte. Der Häher wollte der Polizei nicht helfen. Kein bisschen. Der Häher wurde beim Gedanken an die Polizei nervös.
    Othello schlüpfte aus dem Schatten der Mauer hervor, hinter Rebecca und dem Häher her.
    »Warte!«, blökte Mopple. »Ich dachte, wir wollen zurück?«
    Othello drehte sich um. »Sie ist unsere Schäferin«, sagte er. »Und er lügt.«
    Mopple überlegte nur einen Augenblick. Noch einmal allein zwischen den dunklen Hofgebäuden hindurch? Nein! Lieber bei Othello! Egal wo. Mopple versuchte, nicht so genau über das »wo« nachzudenken, und trabte hinter dem Leitwidder her.
    »Ist das ein Wolf, der den Mond anheult?«, fragte Rebecca am Schlosstor. »Ihr Familienwappen?«
    Der Häher lachte leise. »Meine Familie hat kein Wappen. Mein Vater hat dieses Schloss gekauft. Für seine Klinik. Leider, denke ich manchmal. Andererseits ist es ein imposantes Gebäude. Nein, wenn überhaupt, ist das Erics Wappen!«
    »Erics?«, sagte Rebecca.
    Der Häher nickte. »Sein Vater hat meinem Vater das Schloss verkauft und nur die Hermitage behalten.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Rebecca. »Und was steht da unten?«
    »>La lune n'est pas trop loin<. Der Mond ist nicht unerreichbar. Mein Vater...« Der Häher schwieg. »Ihr Vater?«, fragte Rebecca.
    »Ach«, sagte der Häher. »Ich dachte nur gerade, dass mein Vater es immer anders übersetzt hat: >Der Wahnsinn ist nicht weit<. Und wie Recht er hatte! Ich hoffe, Sie mögen Fisch?«
    »Mhmmm, Fisch«, sagte die Schäferin. »Sehr!«
    Auch Rebecca log.
     

15
     
    »Nasen sind sein Brot!«, sagte Ramses und schauderte.
    »Und er hat sie zum Essen eingeladen«, sagte Cloud.
    Die Schafe blickten finster zum Schloss hinüber, wo Rebecca und der Häher zwischen den Nebengebäuden verschwunden waren.
    Der Plan des Hähers war mehr als durchsichtig, und wenn Rebecca ein bisschen mehr an Geschichten und ein bisschen weniger an ihre roten Lippen gedacht hätte, würde sie ihn gewiss durchschaut haben. So hingegen... Die Schafe guckten

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