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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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hinein schnitt das helle, scharfe Heulen eines Hundes. Der Wolfhund! Der Wolfhund hatte ihre Spur gefunden! Die Ziegen wirbelten herum und rannten in drei Richtungen davon, Plan B, Plan F und Plan Z. Mopple hatte keinen Plan, und er wusste nicht, welcher der dreien er folgen sollte. Er hatte das Gefühl, dass der Wolfhund nicht in Bernies Stall kommen würde - andererseits...
    Der Moment des Zögerns war zu viel. Schon war zwischen den Ställen eine geifernde dunkle Masse aufgetaucht und schoss auf Mopple zu. Wenn er rannte, hatte er keine Chance. Mopple holte tief Luft, alle Luft, die in seinen runden Körper passte, und tauchte in das harzige Dunkel von Bernies Stall.
     
    Othello blieb stehen. Der Wind fauchte, zu scharf und kalt, um ordentlich wittern zu können, und zu laut und heulend. Trotzdem hatte Othello das sichere Gefühl, dass jenseits der Ecke jemand stand.
    Othello wartete einen Moment, um sich zu sammeln. Es war ein langer, wirrer Tag gewesen. Zuerst hatte er den Spaziergänger auf seinen Spaziergängen verfolgt. Der Spaziergänger spazierte nicht, er hastete in weiten Sprüngen durch den Schnee, kreuz und quer, bis zum Bach. Dann stieg er ins Wasser, mit seinen hohen, dunklen Stiefeln, und watete eine ganze Weile bachab. Zuerst kam das Othello wie eine besonders dumme Art der Fortbewegung vor, aber dann verstand er: der Spaziergänger wollte seine Witterung auslöschen - und seine Spuren im Schnee. Gar nicht so dumm, wie er aussah. Und während Othello vom Ufer aus dem watenden Mann im Bach folgte, hatte er immer mehr das Gefühl, dass er gar nicht so dumm war, wie er aussah. Bei weitem nicht. Der Dicke bewegte sich sparsam und genau, mit einer Eleganz, die Othello überraschte. Und spätestens, als er wieder aus dem Wasser stieg, war sich Othello sicher, dass er auch nicht wirklich dick war. Der Mann kletterte nicht etwa ans Ufer, sondern auf eine Baumwurzel und von dort aus eine Eiche hinauf, zog oben, auf einem dicken Ast hockend, seine dunklen Stiefel aus, wickelte sie in eine Tüte und versenkte sie in einem Loch im Stamm. Aus dem Loch im Stamm holte er andere Stiefel, die sehr ähnlich aussahen, Othello aber kleiner vorkamen.
    Dann kletterte der Mann von der Eiche auf eine Buche auf eine andere Eiche und ließ sich endlich, fast geräuschlos, wieder in den Schnee fallen, an einer Stelle, wo schon Spuren waren, größere und kleinere, auf und ab. Tief im Wald krachte wieder ein Ast, und Othello verstand, wie mutig der Mann sein musste, um bei diesem Wetter auf Bäumen herumzuklettern.
    Dann spazierte der Mann in täuschender Harmlosigkeit vor sich hin, bis er auf den kleineren Spaziergänger traf. Der Kleine fragte etwas. Der nicht wirklich Dicke quakte verlegen.
    Der Kleine regte sich zischend auf.
    Der Große zischte zurück.
    Sie quakten eine Weile aufeinander ein, dann spazierten sie weiter, Seite an Seite, und sahen aus wie immer.
    Othello war ihnen gefolgt. Das war gar nicht so einfach, denn für Menschen schienen die beiden außergewöhnlich wach und angespannt. Einmal hätten sie Othello im Schatten der Stämme fast entdeckt. Er verstand nicht wirklich, was hier passierte, aber er verstand, dass die beiden Männer gefährlich waren. Und nicht nur für Rehe.
    Maple würde es verstehen - Othello musste es nur sehen.
    Er folgte den Spaziergängern, die nicht wirklich Spaziergänger waren, auf breiten Spazierpfaden durch den Wald, am Rande eines kleinen Sees entlang, vorbei an einem hübschen, weißen Haus, über eine Wiese und durch eine Pforte aus Stein, bei der zwei Tiere saßen. Die Männer lachten.
    Othello beäugte die Tiere vorsichtig. »Das sind Löwen«, dachte er, aber natürlich waren es nicht wirklich Löwen. Echte Löwen hatten eine Witterung wie Donner und Fell, das vor Hitze brannte. Diese hier waren von Schnee bedeckt. Othello schlüpfte durch die Pforte.
    Sobald die beiden das Schloss umrundet hatten, wickelten sie sich noch tiefer in ihren Mantel aus Harmlosigkeiten, jede Bewegung eine Lüge.
    Othello hatte im Zoo neben einem alten Schakal gewohnt, der sich hinkend stellte, so lange, bis die Zoospatzen unbekümmert in seinem Gehege herumhüpften und in den Fleischmahlzeiten des Schakals herumpickten. Und wenn sie zu nah kamen, schlug er zu. Die kleinen Vögel vergaßen das, jedes Mal. Auch die Männer hier verstellten sich. Es war klar, dass auch sie etwas jagten. Und nicht nur Rehe.
    Der schwarze Widder folgte den beiden, bis sie in einem der größeren Hofgebäude

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