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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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mürrisch, er habe »eine ernste Komödie über die Ehe, aber eine
sexuelle Farce« geschrieben. Später schrieb er, dass »die menschliche
Sexualität unsere ernsthaftesten Absichten zur Farce macht«.
    Doch was immer Garp auch sagte
oder die Rezensenten schrieben – das Buch wurde kein Erfolg. Der Hahnrei fängt sich, so hieß der neue Roman, verwirrte nahezu jeden
Leser – selbst die Rezensionen waren verwirrend. Es wurden einige Tausend
Exemplare weniger als von Zaudern verkauft, und
obwohl John Wolf dem Autor versicherte, das sei bei zweiten Romanen oft der
Fall, hatte Garp – zum ersten Mal in seinem Leben – das Gefühl des Scheiterns.
    John Wolf, der ein guter Verleger
war, beschützte Garp besonders vor einer Rezension – bis er fürchtete, Garp
würde sie zufällig zu Gesicht bekommen. Da schickte er ihm widerstrebend den
Ausschnitt aus einer Zeitung der Westküste und schrieb auf einen beigefügten
Zettel, er habe gehört, der Kritiker leide an einem unausgeglichenen
Hormonhaushalt. In der Rezension hieß es kurz und bündig, es sei »trostlos und
erschütternd, dass T.S. Garp, der unbegabte Sohn der berühmten Feministin Jenny
Fields, einen sexistischen Roman geschrieben hat, der in Sex schwelgt – und
nicht einmal auf instruktive Art«. Und so fort.
    Garp war, dank Jenny Fields, kein
Mensch, der sich leicht von der Meinung anderer Leute beeinflussen ließ, [315]  aber
selbst Helen mochte den Roman Der Hahnrei fängt sich nicht. Und Alice Fletcher erwähnte in all ihren liebevollen Briefen nicht ein
einziges Mal auch nur die Existenz des Buches.
    Der Hahnrei
fängt sich handelte von zwei Ehepaaren, die ein Verhältnis haben.
    »O Mann«, sagte Helen, als sie
erfuhr, wovon das Buch handelte.
    »Es ist kein Buch über uns «, sagte Garp. »In keiner Weise. Es nutzt nur unsere Erfahrungen.«
    »Und du erzählst mir dauernd«,
sagte Helen, »dass die autobiographischen Romane die allerschlimmsten seien.«
    »Es ist kein autobiographischer
Roman«, sagte Garp. »Du wirst es sehen.«
    Sie sah es nicht. Der Roman
handelte zwar nicht von Helen und Garp und Harry und Alice, aber er handelte von vier Menschen, deren letztlich ungleiche und
sexuell angespannte Beziehung ein Reinfall ist.
    Alle vier sind körperlich
gehandikapt. Einer der Männer ist blind. Der andere Mann stottert dermaßen,
dass seine Dialogpartien eine quälende Lektüre sind. Jenny verübelte Garp
diesen billigen Hieb auf den armen verblichenen Mr. Tinch, aber Schriftsteller,
sagte Garp traurig, seien bloß Beobachter – gute und rücksichtslose Nachahmer
des menschlichen Verhaltens. Garp hatte Tinch nicht beleidigen wollen; er
benutzte nur eine von Tinchs Eigenheiten.
    »Ich weiß nicht, wie du Alice so
etwas antun konntest«, sagte Helen verzweifelt.
    Helen meinte die Handikaps –
besonders die Handikaps der Frauen. Die eine hat Muskelkrämpfe im rechten Arm – [316]  sie schlägt unvermittelt um sich, trifft Weingläser, Blumentöpfe,
Kindergesichter, entmannt einmal beinahe (unabsichtlich) ihren Mann mit einer Gartensichel.
Nur ihr Liebhaber, der Mann der anderen Frau, kann diese schrecklichen
unkontrollierbaren Krämpfe lindern – so dass die Frau zum ersten Mal in ihrem
Leben Besitzerin eines makellosen Körpers ist, den sie bei jeder Bewegung unter
Kontrolle hat und der wirklich von ihr allein beherrscht und gezügelt wird.
    Die andere Frau leidet an
unvorhersehbaren, unaufhaltsamen Blähungen. Die Furzerin ist mit dem Stotterer
verheiratet, der Blinde mit dem gefährlichen rechten Arm.
    Keiner von den vieren ist, wie man
zugeben musste, Schriftsteller. (»Sollen wir dir für das kleine Entgegenkommen
dankbar sein?«, fragte Helen.) Eines der Paare ist kinderlos und möchte es
bleiben. Das andere Paar versucht, ein Kind zu bekommen; die Frau wird
schwanger, aber ihre Hochstimmung wird durch die allgemeine Sorge, wer wohl der
leibliche Vater ist, gedämpft. Wer war es? Die Paare achten auf verräterische
Angewohnheiten des Babys. Wird es stottern, furzen, um sich schlagen oder blind
sein? (Garp betrachtete dies als seine abschließende Stellungnahme zum Thema Gene – um seiner Mutter willen.)
    Es ist bis zu einem gewissen Grad
ein optimistischer Roman, und sei es nur, weil die beiden Paare sich
schließlich auf ihre Freundschaft besinnen und ihre Liaison beenden. Das
kinderlose Paar trennt sich später; die beiden sind voneinander enttäuscht, was
aber nicht unbedingt eine Folge des Experiments ist. Das Paar mit dem

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