Garp und wie er die Welt sah
argumentierte Jenny; Wogen der Sympathie
von Colleges aus dem ganzen Land hatten die einsneunzig große Roberta Muldoon
zu einer umstrittenen Figur gemacht. Roberta war intelligent und wortgewandt,
und natürlich kannte sie sich mit Football aus – im Vergleich zu den Idioten,
die sonst über die Spiele berichteten, wäre sie ein Fortschritt gewesen.
Garp mochte sie. Die beiden
unterhielten sich über [320] Football, und sie spielten Squash. Bei den ersten
Partien besiegte Roberta ihn jedes Mal – sie war kräftiger als er und eine
bessere Sportlerin, aber nicht so gut in Form wie er, und da sie deutlich
schwerer war als er, war sie schnell erschöpft. Roberta sollte auch ihres
Feldzugs gegen die Fernsehgesellschaften bald müde werden, aber viel Ausdauer
für andere, wichtigere Dinge entwickeln.
»Im Vergleich zur
Ellen-James-Society bist du entschieden ein Fortschritt, Roberta«, sagte Garp
zu ihr. Er hatte mehr Spaß an den Besuchen seiner Mutter, wenn Jenny mit
Roberta kam. Und Roberta spielte stundenlang Football mit Duncan. Roberta
versprach, Duncan zu einem Spiel der Eagles mitzunehmen, aber da hatte Garp
seine Bedenken. Roberta war eine Zielperson – sie hatte einige Leute sehr
wütend gemacht. Garp malte sich die verschiedensten Attentate auf Roberta aus –
und wie Duncan in dem riesigen tobenden Footballstadion von Philadelphia
verschwand und von einem Kinderschänder missbraucht wurde.
Der fanatische Hass in manchen
Briefen an Roberta hatte Garp zu derlei Phantasien angeregt, aber als seine
Mutter ihm einige der hasserfüllten Briefe zeigte, die sie selber bekommen
hatte, machte Garp sich auch deswegen Sorgen. Diesen Aspekt von Jennys
Bekanntheit hatte er nicht bedacht: Manche Leute hassten sie wirklich. Sie
schrieben Jenny, dass sie ihr Krebs an den Hals wünschten. Sie schrieben
Roberta, dass seine oder ihre Eltern hoffentlich das Zeitliche gesegnet hätten.
Ein Paar schrieb Jenny Fields, sie würden sie gern künstlich befruchten – mit
Elefantensamen, um sie von innen zu sprengen. Diese Mitteilung war mit »Ein
ordentlich verheiratetes Paar« unterschrieben.
[321] Ein Mann schrieb Roberta
Muldoon, er sei sein Leben lang ein Fan der Philadelphia Eagles gewesen, und
schon seine Großeltern seien in Philadelphia geboren, aber jetzt werde er ein
Fan der New York Giants oder der Washington Redskins werden und nach New York
oder Washington »oder notfalls sogar nach Baltimore« fahren, weil Roberta den
gesamten Sturm der Eagles mit ihrer Tuntigkeit verdorben habe.
Eine Frau schrieb an Roberta
Muldoon, sie hoffe, Roberta würde von den Oakland Raiders der Reihe nach
vergewaltigt werden. Die Frau fand, dass die Raiders die abscheulichste
Footballmannschaft seien; vielleicht würden sie Roberta zeigen, was für ein
Vergnügen es sei, eine Frau zu sein.
Ein Highschool-Linksaußen aus
Wyoming schrieb Roberta Muldoon, er schäme sich ihretwegen, weiterhin als
Linksaußen zu spielen, und lasse sich jetzt anders aufstellen – als
Verteidiger. Bisher gebe es noch keine transsexuellen Verteidiger.
Ein College-Mittelstürmer aus
Michigan schrieb Roberta, wenn sie einmal nach Ypsilanti komme, würde er sie
gern ficken, aber sie müsse ihre Schulterschützer dabei anbehalten.
»Das ist noch gar nichts«, sagte
Roberta zu Garp. »Deine Mutter bekommt viel schlimmere Post. Viele Leute hassen sie.«
»Mom«, sagte Garp, »warum tauchst
du nicht eine Weile unter? Mach Ferien. Schreib noch ein Buch.« Er hätte nie
geglaubt, dass er ihr einen solchen Vorschlag machen würde, aber er sah Jenny
plötzlich als potentielles Opfer, das [322] sich stellvertretend für andere Opfer
allem Hass und aller Grausamkeit und aller Gewalttätigkeit der Welt aussetzte.
Wenn sie von der Presse gefragt
wurde, sagte Jenny immer, ja, sie schreibe noch ein
Buch; nur Garp und Helen und John Wolf wussten, dass dies eine Lüge war. Jenny
Fields schrieb kein Wort.
»Ich habe alles gemacht, was ich
mir für mich vorgenommen hatte«, sagte Jenny zu ihrem Sohn. »Jetzt interessiere
ich mich für andere Leute. Pass du nur auf dich selber auf«, sagte sie
feierlich, als halte sie die introvertierte Art ihres Sohnes – sein
Phantasieleben – für die gefährlichere Lebensweise.
Helen befürchtete das übrigens
auch – besonders wenn Garp nicht schrieb; und länger als ein Jahr nach Der Hahnrei fängt sich schrieb Garp nicht eine Zeile. Dann
schrieb er ein ganzes Jahr lang und warf alles wieder weg. Er schrieb Briefe an
seinen
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