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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Verleger – schwierigere Briefe hatte John Wolf nie lesen, geschweige
denn beantworten müssen. Einige waren zehn, zwölf Seiten lang; in den meisten
warf er John Wolf vor, er habe sich für Der Hahnrei fängt
sich nicht so eingesetzt, wie er es hätte tun können.
    »Alle hassten das Buch«, erinnerte ihn John Wolf. »Wie hätten wir uns dafür einsetzen
können?«
    »Sie haben das Buch nicht
unterstützt«, schrieb Garp.
    Helen schrieb an John Wolf, er
müsse Geduld haben mit Garp, aber John Wolf kannte sich mit Schriftstellern gut
aus und war so geduldig und freundlich, wie er konnte.
    Schließlich schrieb Garp Briefe
an andere Leute. Er beantwortete einige der Hassbriefe an seine Mutter – sofern
der Absender angegeben war. Er schrieb lange Briefe, in [323]  denen er versuchte,
die Leute von ihrem Hass abzubringen. »Du entwickelst dich allmählich zum
Sozialarbeiter«, meinte Helen. Aber Garp bot sogar an, einige der hässlichen
Briefe an Roberta Muldoon zu beantworten; Roberta hatte jedoch einen neuen
Liebhaber, und der Hass der Briefe perlte an ihr ab wie Wasser.
    »Herr im Himmel«, beschwerte sich
Garp bei ihr, »erst eine Geschlechtsumwandlung, und jetzt bist du auch noch
verliebt. Für einen Linksaußen mit Titten bist du echt blöd, Roberta.« Sie
waren sehr gute Freunde, und immer wenn Roberta und Jenny in die Stadt kamen,
spielten sie eifrig Squash, aber es war nicht oft genug, um den rastlosen Garp
zu beschäftigen. Er spielte stundenlang mit Duncan – und wartete darauf, dass
Walt alt genug wurde, damit er auch mit ihm spielen konnte. Er brütete eine
stürmische Geschichte aus.
    »Der dritte Roman ist der große
Durchbruch«, schrieb John Wolf an Helen, weil er spürte, dass sie Garps
Rastlosigkeit allmählich leid war und ein paar aufmunternde Worte brauchte.
»Lassen Sie ihm Zeit – es wird schon kommen.«
    »Woher will er wissen, dass der dritte Roman der große Durchbruch ist?«, schäumte Garp. »Mein
dritter Roman existiert noch nicht einmal. Und so wie sie ihn publiziert haben,
ist auch mein zweiter Roman praktisch inexistent. Diese Verleger sind voller
Geheimnistuerei und sich erfüllender Prophezeiungen! Wenn er so viel über
dritte Romane weiß, warum schreibt er nicht selbst einen? Warum schreibt er
dann nicht einmal seinen ersten ?«
    Aber Helen lächelte und gab ihm
einen Kuss und fing an, [324]  mit ihm ins Kino zu gehen, obwohl sie Filme nicht
ausstehen konnte. Sie war zufrieden mit ihrer Arbeit; die Kinder waren
zufrieden. Garp war ein guter Vater und ein guter Koch, und wenn er nicht
schrieb, war er ein besserer Liebhaber, als wenn er in die Arbeit vertieft war.
Lass es kommen, dachte Helen.
    Bei ihrem Vater, dem guten alten
Ernie Holm, hatten sich Symptome eines frühen Herzleidens entwickelt, aber ihr
Vater war glücklich in Steering. Er und Garp machten jeden Winter eine Reise zu
einem der großen Ringerturniere in Iowa. Helen war sicher, dass Garps
Schreibblockade eine Kleinigkeit war, mit der man sich abfinden konnte.
    »Es wird schon kommen«, sagte
Alice Fletcher, als sie mit Garp telefonierte. »Du kannst es nicht ertswingen.«
    »Ich will gar nichts erzwingen «, versicherte er ihr. »Es ist einfach nichts
da.« Aber er dachte, dass die begehrenswerte Alice, die nichts zu Ende brachte – nicht einmal ihre Liebe zu ihm –, nie begreifen würde, was er meinte.
    Dann erhielt Garp selbst einen
hasserfüllten Brief: Eine Frau, die Anstoß an Der Hahnrei
fängt sich nahm, beschimpfte ihn wütend. Und es war nicht etwa eine
blinde, stotternde, spastische Furzerin – wie man hätte annehmen können. Es war
das, was Garp brauchte, um aus seinem Tief herauszukommen.
    Sehr
geehrter Schmutzfink,
    [schrieb die Frau, die Anstoß
genommen hatte]
    ich habe
Ihren Roman gelesen. Sie finden die Probleme anderer Menschen anscheinend sehr
lustig. Ich habe Ihr Bild gesehen. Ich nehme an, dass Sie mit Ihrem [325]  Wuschelhaar
über Leute mit Glatze lachen können. Und in Ihrem grausamen Buch lachen Sie
über Leute, die keinen Orgasmus haben können, und über Leute, deren Frauen und
Männer fremdgehen. Sie sollten wissen, dass Menschen, die diese Probleme haben,
so etwas gar nicht so lustig finden. Sehen Sie sich
die Welt doch an, Sie Schmutzfink – sie ist ein Meer von Schmerz, die Menschen
leiden, und niemand glaubt an Gott oder erzieht seine Kinder richtig. Sie haben
gar keine Probleme, Sie Schmutzfink, deshalb können Sie sich über Leute lustig
machen, die welche

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