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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ihr benannt hatte. Es war in New York
ungefähr ein Jahr lang ein Bestseller: ein weißes Schwesternkleid mit einem
knallroten Herzen auf der linken Brust, ORIGINAL JENNY
FIELDS stand auf dem Herzen.
    Als Jenny Garp geboren wurde,
sagte Helen nichts. Helen war dankbar; zum ersten Mal seit dem Unfall hatte sie
das Gefühl, erlöst zu sein vom Wahnsinn des Kummers, der sie seit Walts Tod
zermalmt hatte.
    Das Manuskript Bensenhaver und wie er die Welt sah, das Garps Erlösung von demselben
Wahnsinn war, lag in New York, wo John Wolf es immer wieder las. Er hatte das
erste Kapitel in einem widerlichen und geschmacklosen Pornomagazin
untergebracht und glaubte, dass nun sogar [613]  für Garp das Schicksal des Buches
besiegelt sei. Das Magazin hieß Scharfe Schnappschüsse, und
genau davon strotzte es – von den feuchten, offenen Visieren aus Garps
Kindheit, zwischen den Seiten seiner Geschichte, die von Vergewaltigung und
Rache handelte. Zuerst warf Garp John Wolf vor, er habe das Kapitel absichtlich
dort untergebracht, er habe es gar nicht erst bei besseren Zeitschriften
versucht. Aber Wolf versicherte Garp, dass er es überall versucht hätte, dass
dies die letzte Zeile auf der Liste gewesen sei – und genau so wurde Garps Geschichte interpretiert. Schmutzige, sensationsgeile
Brutalität und völlig unmotivierter Sex.
    »Darum geht es gar nicht«, sagte
Garp. »Sie werden sehen.«
    Aber Garp fragte sich oft, ob
irgendjemand das erste Kapitel von Bensenhaver und wie er die
Welt sah in den Scharfen Schnappschüssen gelesen hatte. Ob die Leute, die solche Magazine kauften, je einen der Texte
lasen?
    »Vielleicht lesen sie die eine
oder andere Geschichte, wenn sie bei den Bildern onaniert haben«, schrieb Garp
John Wolf. Er fragte sich, ob das eine gute Verfassung zum Lesen sei: nach dem
Onanieren war der Leser zumindest entspannt, vermutlich einsam (»ein guter
Zustand, um zu lesen«, sagte Garp zu John Wolf). Aber vielleicht fühlte sich
der Leser auch schuldig und beschämt und niedergeschlagen (das war keine sehr gute Voraussetzung fürs Lesen, dachte Garp).
Übrigens war es, wie er wusste, auch keine gute Voraussetzung fürs Schreiben.
    Bensenhaver
und wie er die Welt sah handelt von dem unmöglichen Wunsch des Ehemanns
Dorsey Standish, seine [614]  Frau und sein Kind vor der grausamen Welt zu
beschützen. Deshalb stellt er Arden Bensenhaver ein (der wegen seiner
ausgefallenen Methoden bei der Verbrechensbekämpfung vorzeitig aus dem
Polizeidienst ausscheiden muss), damit dieser sozusagen als bewaffneter Onkel
bei den Standishs wohnt – er wird der liebenswerte Familienleibwächter, den
Hope schließlich zurückweisen muss. Obwohl Hope die schlimmsten Seiten der
realen Welt kennengelernt hat, ist ihr Mann derjenige, der die Welt am meisten fürchtet. Auch nachdem Hope darauf bestanden hat, dass
Bensenhaver nicht mehr bei ihnen wohnt, beschäftigt Standish den alten
Polizisten weiter als Schutzengel. Bensenhaver wird dafür bezahlt, dem Jungen,
Nicky, wie ein Schatten zu folgen, aber Bensenhaver ist ein unnahbarer und
sonderbarer Wachhund, den seine eigenen schrecklichen Erinnerungen quälen; nach
und nach kommt er den Standishs immer mehr wie eine Bedrohung denn wie ein
Beschützer vor. Er wird beschrieben als »ein Lauernder am fernsten Rand des
Lichts – ein pensionierter Vollstrecker, der am Rande des Dunkels vegetiert«.
    Hope begegnet der Angst ihres
Mannes, indem sie unbedingt ein zweites Kind will. Das Kind wird geboren, aber
Standish scheint dazu verurteilt, ein wahrhaftes Monster nach dem anderen zu erschaffen;
jetzt, da er weniger Angst vor möglichen Überfällen auf seine Frau und seine
Kinder hat, kommt ihm der Verdacht, Hope habe ein Verhältnis. Langsam wird ihm
bewusst, dass ihn das mehr verletzen würde, als wenn sie (erneut) vergewaltigt
würde. Deshalb zweifelt er an seiner Liebe zu ihr, und er zweifelt an sich
selbst; schuldbewusst fleht er Bensenhaver an, Hope [615]  nachzuspionieren und
herauszufinden, ob sie ihm treu ist. Aber Arden Bensenhaver will Dorsey nicht
länger die Bewältigung seiner Ängste abnehmen. Der alte Polizist erklärt, dass
er eingestellt wurde, um Standishs Familie vor der Außenwelt zu beschützen –
und nicht, um seine Schützlinge in ihrer Freiheit einzuschränken. Ohne
Bensenhavers Hilfe gerät Dorsey Standish in Panik. Eines Abends lässt er das
Haus (und die Kinder) schutzlos zurück, um seiner Frau nachzuspionieren.
Während Dorsey weg ist, erstickt das

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